16.03.2018, 10:57
Da bei Wolfgangs Selbstbauprojekt die Frage aufgekommen ist, ob man Netzrafos als Ausgangsübertrager verwenden kann und wie man als Anfänger möglichst preisgünstig zu einem guten NF-Verstärker kommt, hab ich mir mal dazu Gedanken gemacht.
Netztrafos und 100V ELA-Übertrager sind als Ausgangsübertrager für Röhren-Verstärker nur bedingt gut verwendbar, weil sie nach anderen Gesichtspunkten dimensioniert werden. Am hinderlichsten ist der fehlende Luftspalt, wenn man Eintakt-Endstufen mit Netztrafos oder ELA-Übetragern als Ausgangsübertrager konzipieren will. Insbesondere auch, weil bei neueren Netztrafos und ELA-Übertragern die Kernteile miteinander verschweißt sind und man nur mit viel Aufwand die Trafos/Übertrager zerlegen könnte, um einen Luftspalt zur Verhinderung der Kernsättigung durch den primärseitigen Gleichstromfluss bei Eintakt-Enstufen verhindern zu wollen. Bleibt also nur eine Gegentakt-Endstufe, wo es keine Gleichstromvormagnetisierung des Übertrager-Kerns gibt.
ELA-Übertrager haben meist keine symmetrischen Anzapfungen der Primärwicklungen, so dass diese auch kaum in Gegentakt-Endstufen gut verwendbar sind. Netztrafos mit zwei 115V Primärwicklungen erscheinen da dann aber in Gegentakt-Endstufen verwendbar. Aber auch da gibt es Probleme, weil sie bereits bei 50Hz einen grenzwertig hohen Magnetfluss nahe der Kernsättigung bei Nennlast haben. Dem kann man nur entgegenwirken, in dem man für Ausgangsübertrager in Gegentakt-Endstufen Netztrafos mit mehrfacher (doppelter bis dreifacher) Nennleistung der eigentlich zu übertragenden NF-Leistung verwendet. Sonst liegt die untere Grenzfrequenz begrenzt durch die eintretende Kernsättigung nur knapp unterhalb von 50Hz. Ein anderes Problem der Netztrafos als Ausgangsübertrager ist die gegenüber konventionellen NF-Ausgangsübertragern niedrige Primärinduktivität, so dass man nur mit relativ niederohmiger Ansteuerung eine möglichst niedrige untere Grenzfrequenz von typischen 20Hz erreichen kann.
NF-Gegentaktendstufen mit Elektronenröhren und relativ niedrigem Ausgangs-/Lastwiderstand hatte mal Philips Mitte der fünfziger Jahre ohne Ausgangsübertrager für 800 Ohm Lautsprecher konzipiert und erfolgreich auch produziert. Anfangs hatte man dafür weniger geeignete Standard-Radioröhren (UL41, EL84) verwendet und später die extra dafür entwickelte, heute teure, EL86 und ihre Artverwandte UL84 (nicht mit der EL84 verwandt) eingesetzt. Für noch leistungsfähigere, eisenlose Verstärker hat man dann z.B. die für S/W-TVs geschaffene PL81 Zeilenendstufen-Röhre verwendet. Allen diesen Röhren ist gemeinsam, dass sie bei niedrigen Anodenspannungen (ca. 50V) hohe Anoden-/Kathodenströme ermöglichen und einen weiten Aussteuerbereich haben. Erste eisenlose Enstufen von Philips waren SRPP-Schaltungen, die nur einen Class A Betrieb zuließen und mit zwei EL86/UL84 nur ca. 4..5W Ausgangsleistung ermöglichten.
Philips hat die eisenlosen Endstufen aber weiterentwickelt und auch richtige "Totem-Pole" Gegentakt-Endstufen für Class AB Betrieb geschaffen. Um die Pentoden entsprechend betreiben zu können, hatte Philips die Idee, statt Schirmgitter-Vorwiderständen eine hochinduktive NF-Drossel zu verwenden. Das Problem der durch den Schirmgitterstrom zu befürchtenden Kernsättigung hat Philips elegant dadurch gelöst und für die beiden Endstufen-Röhren keine getrennten NF-Drosseln im Schirmgitterzweig verwendet, sondern beide Drossel-Spulen auf einen kleinen M42 Kern ohne Luftspalt gewickelt und diese dann entgegengesezt geschaltet, so dass sich die Kern-Magnetisierung durch die beiden Schirmgitterströme gegenseitig kompensiert haben. Dieses Schaltungsprinzip wurde dann von Philips noch weiterentwickelt und die NF-Drossel auch gleich als Ausgangsübertrager für niederohmige Lautsprecher mitverwendet (dann natürlich mit entsprechend großem Kern).
Den Entwicklungen der eisenlosen Endstufen von Philips folgend kann man also vielleicht normale Netztrafos mit zwei 115V Primärwicklungen ganz gut in röhrenbestückten NF-Endstufen mittlerer Leistung verwenden. Die heute teuren EL86/UL84 sind für kostengünstige Realisierungen nicht besonders gut geeignet und bei Verwendung der artverwandten PL84, die es noch vor kurzem preiswert als "Schüttgut" gab, braucht man wenigstens noch zusätzliche Röhren für den bei Gegentakt-Verstärkern notwendigen Phase-Splitter und wenigstens eine verstärkende Vorstufe. Schaut man sich die Datenblätter insbesondere der P-Röhren für ehemalige TV-Geräte genauer an, erscheint die eigentlich für Vertikalablenk-Stufen vorgesehene PCL85/805 für eisenlose Enstufen gut geeignet. Diese Röhren liefern auch bei niedrigen Anodenspannungen hohe Anoden-/Kathoden-Ströme und haben als Verbundröhre auch noch eine Triode für Phase-Splitter bzw. Vorstufe. Auch ist die zulässige Ufk-Spannung mit max. 200V (325V im kalten Zustand) ist für Totem-Pole Schaltungen von Vorteil.
Also frisch ans Werk und mal rechnerisch und mit einer Simulation die nachfolgende Schaltung
PCL85(805)_PP.pdf (Größe: 30,26 KB / Downloads: 198)
entworfen.
Um die zulässige Ufk-Spannung von max. 200V der PCL85/805 nicht zu überschreiten, ist die Verstärker-Schaltung für eine symmetrischen Betriebsspannung von ca. +/-175...180V konzipiert worden. Damit man für die gesamte Betriebsspannung keinen speziellen Netztrafo braucht, wird einfach die 2x18V Heizspannung mit einem preisgünstigen 2x115V Netztrennrafo aufgestockt. Genau die relativ hohe Heizspannung der P-Röhren ist da sehr willkommen. Die Heizspannung ist somit mittig auf Masse bezogen, so dass bei beiden Röhren in der Schaltung die zulässige Ufk-Spannung eingehalten werden kann!!!
Als Phase-Splitter kommt eine Kathodyne-Schaltung (V2A) zum Einsatz, wobei die Anodenspannung sich aus der positiven Betriebsspannung und der überlagerten NF-Ausgangsspannung zusammensetzt. Durch die eine primäre Teilwicklung des 2x115V Netztrafos als Ausgangsübertrager/NF-Drossel fließt also nicht nur der Schirmgitterstrom von V2B, sondern auch der Anodenstrom des Phase-Splitters. Um dennoch eine, wenn auch geringfügige Vormagnetisierung des Netztrafo-Kerns zu kompensieren, wurde der Arbeitspunkt der Vorstufe mit V1A so gewählt, dass in etwa der selbe (+-100µA) Anodenstrom wie beim Phase-Splitter fließt und dieser Strom dann auch durch die entgegengesetzt geschaltete andere 115V Teilwicklung mit dem Schirmgitterstrom von V1B fließt.
Was sich da als 2x115V/9V 25VA Netztrafo am besten eigenet, Printflachtrafo mit UI-Kern und auf beide U-Kernschenkel getrennten Primär-/Sekundärwicklungen oder mit EI-Kern und auf zwei Kammern aufgetrennten Primär-/Sekundärwicklungen oder ein Ringkern-Trafo mit übereinander gewickelten Primär-/Sekundärwicklungen, wird wohl erst ein Testaufbau zeigen können. Ich würde vermuten, dass ein Ringkern-Trafo auf Grund der etwas besseren Kopplung und des geringeren Streufeldes sich besser eignet. Ist aber wirklich nur eine Vermutung.
Nette Bastlergrüße
(Reflex-)Kalle
Netztrafos und 100V ELA-Übertrager sind als Ausgangsübertrager für Röhren-Verstärker nur bedingt gut verwendbar, weil sie nach anderen Gesichtspunkten dimensioniert werden. Am hinderlichsten ist der fehlende Luftspalt, wenn man Eintakt-Endstufen mit Netztrafos oder ELA-Übetragern als Ausgangsübertrager konzipieren will. Insbesondere auch, weil bei neueren Netztrafos und ELA-Übertragern die Kernteile miteinander verschweißt sind und man nur mit viel Aufwand die Trafos/Übertrager zerlegen könnte, um einen Luftspalt zur Verhinderung der Kernsättigung durch den primärseitigen Gleichstromfluss bei Eintakt-Enstufen verhindern zu wollen. Bleibt also nur eine Gegentakt-Endstufe, wo es keine Gleichstromvormagnetisierung des Übertrager-Kerns gibt.
ELA-Übertrager haben meist keine symmetrischen Anzapfungen der Primärwicklungen, so dass diese auch kaum in Gegentakt-Endstufen gut verwendbar sind. Netztrafos mit zwei 115V Primärwicklungen erscheinen da dann aber in Gegentakt-Endstufen verwendbar. Aber auch da gibt es Probleme, weil sie bereits bei 50Hz einen grenzwertig hohen Magnetfluss nahe der Kernsättigung bei Nennlast haben. Dem kann man nur entgegenwirken, in dem man für Ausgangsübertrager in Gegentakt-Endstufen Netztrafos mit mehrfacher (doppelter bis dreifacher) Nennleistung der eigentlich zu übertragenden NF-Leistung verwendet. Sonst liegt die untere Grenzfrequenz begrenzt durch die eintretende Kernsättigung nur knapp unterhalb von 50Hz. Ein anderes Problem der Netztrafos als Ausgangsübertrager ist die gegenüber konventionellen NF-Ausgangsübertragern niedrige Primärinduktivität, so dass man nur mit relativ niederohmiger Ansteuerung eine möglichst niedrige untere Grenzfrequenz von typischen 20Hz erreichen kann.
NF-Gegentaktendstufen mit Elektronenröhren und relativ niedrigem Ausgangs-/Lastwiderstand hatte mal Philips Mitte der fünfziger Jahre ohne Ausgangsübertrager für 800 Ohm Lautsprecher konzipiert und erfolgreich auch produziert. Anfangs hatte man dafür weniger geeignete Standard-Radioröhren (UL41, EL84) verwendet und später die extra dafür entwickelte, heute teure, EL86 und ihre Artverwandte UL84 (nicht mit der EL84 verwandt) eingesetzt. Für noch leistungsfähigere, eisenlose Verstärker hat man dann z.B. die für S/W-TVs geschaffene PL81 Zeilenendstufen-Röhre verwendet. Allen diesen Röhren ist gemeinsam, dass sie bei niedrigen Anodenspannungen (ca. 50V) hohe Anoden-/Kathodenströme ermöglichen und einen weiten Aussteuerbereich haben. Erste eisenlose Enstufen von Philips waren SRPP-Schaltungen, die nur einen Class A Betrieb zuließen und mit zwei EL86/UL84 nur ca. 4..5W Ausgangsleistung ermöglichten.
Philips hat die eisenlosen Endstufen aber weiterentwickelt und auch richtige "Totem-Pole" Gegentakt-Endstufen für Class AB Betrieb geschaffen. Um die Pentoden entsprechend betreiben zu können, hatte Philips die Idee, statt Schirmgitter-Vorwiderständen eine hochinduktive NF-Drossel zu verwenden. Das Problem der durch den Schirmgitterstrom zu befürchtenden Kernsättigung hat Philips elegant dadurch gelöst und für die beiden Endstufen-Röhren keine getrennten NF-Drosseln im Schirmgitterzweig verwendet, sondern beide Drossel-Spulen auf einen kleinen M42 Kern ohne Luftspalt gewickelt und diese dann entgegengesezt geschaltet, so dass sich die Kern-Magnetisierung durch die beiden Schirmgitterströme gegenseitig kompensiert haben. Dieses Schaltungsprinzip wurde dann von Philips noch weiterentwickelt und die NF-Drossel auch gleich als Ausgangsübertrager für niederohmige Lautsprecher mitverwendet (dann natürlich mit entsprechend großem Kern).
Den Entwicklungen der eisenlosen Endstufen von Philips folgend kann man also vielleicht normale Netztrafos mit zwei 115V Primärwicklungen ganz gut in röhrenbestückten NF-Endstufen mittlerer Leistung verwenden. Die heute teuren EL86/UL84 sind für kostengünstige Realisierungen nicht besonders gut geeignet und bei Verwendung der artverwandten PL84, die es noch vor kurzem preiswert als "Schüttgut" gab, braucht man wenigstens noch zusätzliche Röhren für den bei Gegentakt-Verstärkern notwendigen Phase-Splitter und wenigstens eine verstärkende Vorstufe. Schaut man sich die Datenblätter insbesondere der P-Röhren für ehemalige TV-Geräte genauer an, erscheint die eigentlich für Vertikalablenk-Stufen vorgesehene PCL85/805 für eisenlose Enstufen gut geeignet. Diese Röhren liefern auch bei niedrigen Anodenspannungen hohe Anoden-/Kathoden-Ströme und haben als Verbundröhre auch noch eine Triode für Phase-Splitter bzw. Vorstufe. Auch ist die zulässige Ufk-Spannung mit max. 200V (325V im kalten Zustand) ist für Totem-Pole Schaltungen von Vorteil.
Also frisch ans Werk und mal rechnerisch und mit einer Simulation die nachfolgende Schaltung
PCL85(805)_PP.pdf (Größe: 30,26 KB / Downloads: 198)
entworfen.
Um die zulässige Ufk-Spannung von max. 200V der PCL85/805 nicht zu überschreiten, ist die Verstärker-Schaltung für eine symmetrischen Betriebsspannung von ca. +/-175...180V konzipiert worden. Damit man für die gesamte Betriebsspannung keinen speziellen Netztrafo braucht, wird einfach die 2x18V Heizspannung mit einem preisgünstigen 2x115V Netztrennrafo aufgestockt. Genau die relativ hohe Heizspannung der P-Röhren ist da sehr willkommen. Die Heizspannung ist somit mittig auf Masse bezogen, so dass bei beiden Röhren in der Schaltung die zulässige Ufk-Spannung eingehalten werden kann!!!
Als Phase-Splitter kommt eine Kathodyne-Schaltung (V2A) zum Einsatz, wobei die Anodenspannung sich aus der positiven Betriebsspannung und der überlagerten NF-Ausgangsspannung zusammensetzt. Durch die eine primäre Teilwicklung des 2x115V Netztrafos als Ausgangsübertrager/NF-Drossel fließt also nicht nur der Schirmgitterstrom von V2B, sondern auch der Anodenstrom des Phase-Splitters. Um dennoch eine, wenn auch geringfügige Vormagnetisierung des Netztrafo-Kerns zu kompensieren, wurde der Arbeitspunkt der Vorstufe mit V1A so gewählt, dass in etwa der selbe (+-100µA) Anodenstrom wie beim Phase-Splitter fließt und dieser Strom dann auch durch die entgegengesetzt geschaltete andere 115V Teilwicklung mit dem Schirmgitterstrom von V1B fließt.
Was sich da als 2x115V/9V 25VA Netztrafo am besten eigenet, Printflachtrafo mit UI-Kern und auf beide U-Kernschenkel getrennten Primär-/Sekundärwicklungen oder mit EI-Kern und auf zwei Kammern aufgetrennten Primär-/Sekundärwicklungen oder ein Ringkern-Trafo mit übereinander gewickelten Primär-/Sekundärwicklungen, wird wohl erst ein Testaufbau zeigen können. Ich würde vermuten, dass ein Ringkern-Trafo auf Grund der etwas besseren Kopplung und des geringeren Streufeldes sich besser eignet. Ist aber wirklich nur eine Vermutung.
Nette Bastlergrüße
(Reflex-)Kalle