Servus zusammen,
heute möchte ich Euch einen "Wehrmachts-Rundfunkempfänger WR1/P" (Spitzname "Rudi") von 1942 vorstellen - ein meiner Kenntnis nach eher seltenes Gerät (vor allem in gutem Zustand):
Das hier vorhandene Gerät ist ein Blaupunkt WR1/P (mit Loctal-8-Batterieröhren (Sockel B8G) der 20er-Serie) - das Gerät gab es (bei praktisch identischen Funktionsdaten und identischem Äußeren) auch noch als WR1/T (mit Stahl-Batterieröhren (Sockel Y8a) der 10er-Serie). Das weiter unten verlinkte Handbuch beinhaltet die Schaltbilder für beide Geräteversionen.
Dieser Gerätetyp war als Soldatenradio im Feld, an der Front, im Schützengraben und im Bunker gedacht. Deswegen sieht vieles an der Auslegung dieses Radios deutlich anders aus als bei "normalen" Wohnzimmerradios jener Zeit:
- Die Stromversorgung ist das, was man heute wohl ein "Wide-Range-Universal-Power-Supply" nennen würde: Neben einer Versorgung per Heiz- und Anodenbatterie (90[V]) oder auch per Akku ("Sammler") ist auch Netzbetrieb möglich - und zwar von 110[V] bis 250[V] Wechselspannung oder 90[V] bis 250[V] Gleichspannung. Natürlich passierte die Spannungsumschaltung nicht automatisch - das Gerät muß über einen vielstufigen Drehschalter eingeschaltet werden und dieser Schalter langsam Stufe für Stufe hochgeschaltet werden - wenn der Zeiger des Anzeigeinstruments im roten Bereich steht, ist das Gerät optimal an die vor Ort vorhandene Netzspannung angepaßt.
- Die Kiste mußte unter den vorgesehenen Betriebsbedingungen "laut" können und verfügt deswegen über eine Gegentaktendstufe und einen wirkungsgradstarken und gar nicht sooo kleinen Lautsprecher.
- Die Schaltungsauslegung des Geräts mußte sich deutlich von den Massen-Heimempfängern jener Zeit unterscheiden (die ja so unempfindlich sein sollten, daß sie am besten nur den Reichssender (und auf keinen Fall London oder Moskau) empfangen konnten): Deswegen mußte das - wegen des Empfangs von Sendern an Standorten tausende Kilometer fern der Heimat - ein Mehrbereichs-Super mit deutlich HF- und NF-Verstärkung sein. Etwas Aufwand in der Vorselektion war auch von Nöten: Schließlich sollte der Standort des Geräts vom Feind ja nicht über dessen Oszillatorstörstrahlung angepeilt werden können (was wegen der niedrigen ZF von 468[kHz] und der damit einhergehenden mangelnden Weitabselektion beim Betrieb auf Kurzwelle wahrscheinlich trotzdem möglich war). Die Anschlußmöglichkeit einer Vielzahl (auch unorthodoxer) Antennen (bis hin zum sprichwörtlichen Metall-Bettgestell) war ebenfalls ein Muß (Zitat Handbuch: "im Bunker: Unbeschaltete Ader oder Mantel des Festungsaußenkabels").
- Je nachdem, wo in der Welt sich dieser Empfänger befand, waren ggf. unterschiedliche und gespreizte Kurzwellenempfangsbereiche erforderlich. Die Standardversion des Geräts umfaßte LW, MW und KW (5,9[MHz] bis 15,8[MHz]). Deswegen gab es für dieses Gerät auch einen reinen Kurzwellenspulensatz für alle drei Bereiche samt passender Austauschskala (beides hat das Gerät hier nicht - es ist das Standard "LW/MW/KW"-Gerät).
- Für besondere Anwendungen gab es dieses Gerät auch noch mit einer Telegrafieüberlagererstufe (BFO) für tonlose Telegrafie (A1) - auch diese Sonderausstattung ist in dem Gerät hier nicht enthalten.
- Alle Anschlüsse müssen an der Frontplatte liegen, damit man das Chassis von vorne in ein mehr oder weniger dichtes Panzerholzgehäuse ohne Öffnungen schieben kann. Das war sicher auch aus Verlustleistungsgründen durchaus eine Herausforderung: Speziell beim Betrieb mit hohen Netzspannungen wird in der Kiste doch eine Menge Leistung verbraten und in all den Vorwiderständen in Wärme umgesetzt. Damit diese Wärme irgendwie aus dem Gehäuse rauskann, gibt es oberhalb des Lautsprechers auf der Frontplatte diese eigenartig aussehende "Wärmeabfuhrhutze" (möglicherweise auch zum Auftauen eingefrorener Finger bei Minusgraden im Feld geeignet).
- Zum Thema "Schallplatten- und Mikrofonbetrieb" kommen wir weiter unten in der Bildersektion noch.
Dieses Gerät hier war offensichtlich gerade noch nicht sehr massiv von den Einsparungen wegen Materialmangels betroffen, die sich dann im weiteren Kriegsverlauf immer stärker bemerkbar machten (es ist z.B. noch mit dem Instrument ausgerüstet - das entfiel bei späteren Geräteserien und führte zu einer abenteuerlichen Einschaltprozedur mit "Schätzung der Netzspannung" (ob das immer alle Röhren überstanden haben?)). "noch nicht sehr massiv" schreibe ich deswegen, weil auf den Trafos und Drosseln schon Vermerke drauf sind, daß die Konstruktion zur Materialeinsparung geändert wurde - dazu weiter unten bei den Photos mehr.
Das hier vorhandene Gerät wurde über Jahrzehnte umfangreich restauriert. Der letzte Restaurationspunkt vor ein paar Tagen war die Skala - die Originalskala war zerbrochen und unansehnlich und sah so aus:
Ich hab' da zuerst viel probiert, um mit Scannen und dergleichen irgendwie wieder eine ansehnliche Skala auf die Füße zu stellen - diese Versuche sind alle gescheitert. Eine etwas intensivere Internet-Recherche förderte dann allerdings eine Person in Serbien (!) zu Tage, die solche Skalen neu nachfertigt (ob es da vielleicht Zusammenhänge (Opa oder so?) mit dem seinerzeit wohl (und der Quellenlage nach beileibe nicht nur bei den Deutschen) recht beliebten, deutschen Soldatensender Belgrad gibt? https://de.wikipedia.org/wiki/Soldatensender_Belgrad ,
Auch wenn das ein vergleichsweise aufwendiges Wehrmachts-Gerät ist (und beileibe kein "ziviles" Radio): Aufbaumäßig ist das eine furchtbar verbaute Kiste mit großem Fluch(t)potential bei Reparaturen - kein Vergleich zum gradlinigen Aufbau und der Servicefreundlichkeit "echter" professioneller Geräte wie dem "Köln" (eine Telefunken-Entwicklung von vor 1941 - der "Köln" tat ja in größeren Stückzahlen weit nach Kriegsende noch bis mindestens 1958 bei "Norddeich Radio" seinen zivilen Dienst ( gut zu besichtigen hier:
Chassisansicht von rechts:
Chassisansicht von rechts (Detail Gegentakt-Ausgangsübertrager) - hier ist die Rohstoffmangelsituation schon "aktenkundig":
Chassisansicht von hinten:
Die beiden runden Durchbrüche im Chassis sind vorgesehen für den Telegrafieüberlagerer (BFO) für tonlose Telegrafie (A1) - und zwar für die Röhrenfassung und den Schwingkreis-ZF-Filterbecher (das Ding schwang ja ungefähr auf der ZF). Diese "Option" weist das Gerät hier nicht auf. Desweiteren ist noch eine Fassung für eine DF26 zu sehen, in der keine Röhre steckt. Das ist kein Versehen (die Röhre ist hier vorhanden): Diese DF26 ist die Mikrophonvorverstärkerröhre. Wenn kein Mikrophonbetrieb erforderlich war, wurde diese Röhre bei Netzbetrieb gezogen - das Handbuch verrät auf Seite 8, warum:
"Mikrofonanschluß: Hierzu muß das Gerät mit dem Zusatzrohr DF26 bestückt sein. Netzbetrieb wegen starken Brumms ungeeignet".
Bei einem Blick ins Schaltbild (Unterlagenlink weiter unten) wird auch klar, warum: Sobald das Gerät auf Tonabnehmerbetrieb steht, liegt die Anode der Mikrophonvorverstärkerröhre (eben der DF26) wechselspannungsmäßig am Gitter des Triodensystems der DAC25 (egal, ob da ein Mikrophon dranhängt oder ob Mikrophonbetrieb überhaupt erwünscht ist) und brummt den NF-Verstärker zu (das sind ja direkt geheizte Röhren - und sooo rein wird die Heizgleichspannung bei Netzbetrieb nicht gewesen sein) - deswegen: DF26 ziehen, wenn kein Mikrophonbetrieb erforderlich.
Chassis von links:
Chassis von unten:
Chassis von oben:
Es wurde ja weiter oben schon erwähnt: Der Standard LMK-Spulensatz auf der rechten Seite des Geräts ist austauschbar gegen einen reinen Kurzwellenspulensatz. Wenn man diesen Standard LMK-Spulensatz rauszieht, dann bekommt man in dessen Umfeld folgendes zu sehen:
Chassis von rechts - Detail ohne Spulensatz (ein Vertauschen der einzelnen Spulen ist durch eine bei jeder Spule etwas andere Pinanordnung nicht möglich, das sind also 6 verschiedene Pinouts und auch 6 verschiedene Spulenfassungen - das ist also "soldatensicher"):
Chassis von rechts - ohne Spulensatz - Blick auf die frontseitige Verdrahtung:
Chassis von rechts - ohne Spulensatz - Blick auf die rückseitige Verdrahtung (ja, der angekokelte 50[Ω]-Widerstand ganz links ist mir bekannt):
LMK-Spulensatz - Ansicht von oben:
LMK-Spulensatz - Ansicht von unten:
Die Batteriestromversorgung wurde ja weiter oben schon angesprochen. Im Gerät befindet sich noch eine Heizbatterie aus jener Zeit (die - höchst erstaunlicherweise - auch noch auf ca. 900[mV] Leerlaufspannung kommt):
Der Anschluß der Batterien (oder Akkus) erfolgt über diese Batterie-Polplatte:
Und damit bei Akkubetrieb ("Sammler" = die altertümliche Bezeichnung für "Akku") nicht die Heizfäden der Röhren durchbrennen, gibt es auf der Innenseite der senkrechten Klappe noch das da zu lesen:
Ein paar persönliche Worte zu den vereinzelt zu sehenden, "moderneren" Bauteilen seien mir noch erlaubt: Die fachmännische elektrische Restaurierung dieses Geräts wurde (von meinem Herrn Papa) ungefähr im Oktober 2002 weitgehend beendet - mit dem Fokus auf Funktionstüchtigkeit. Mit leblosen und schweigsamen "Vitrinen"geräten (die toll aussehen und bei denen noch jede "Schraube" original ist und dem Lieferzustand entspricht) - das ist meine Meinung - holt man beim Nachwuchs (den sich viele in unserem Hobby ja durchaus wünschen) heutzutage jedoch keinen Hund hinter mehr dem Ofen hervor. Und Reparaturen sind ja ein normaler Bestandteil des Lebenszyklus' von technischen Geräten und dürfen - ebenfalls meiner Meinung nach - durchaus auch mit zum Zeitpunkt der Reparatur aktuellen Bauteilen durchgeführt werden. Falls jemand aus der "Nietenzähler"fraktion (ein Modelleisenbahnerbegriff) später (also nach mir) bei diesem Gerät trotzdem unbedingt noch Original-Teerkondensatoren aushöhlen möchte: es sei ihm unbenommen - die Altteile sind vorhanden......
Zum Innenleben dieses Geräts gibt's hier noch jede Menge weiterer (Detail)Photos (mehr als 100) - ich wollte nur diesen Beitrag nicht zu sehr überfrachten. Wenn weitergehendes Interesse bestehen sollte, zeige ich natürlich gerne weitere (und detailliertere) Bilder.
Ich bin gerade noch dabei, die (oben bereits erwähnte) Dokumentation (Bedienhandbuch, sehr gut lesbare Schaltbilder) als PDF zusammenzustellen und in einen Cloud-Downloadlink (wegen der Dateigröße) zu stecken - das dauert aber noch a bisserl, weswegen das in einem eigenen Beitrag passieren wird (weil mir hier bei diesem Beitrag die maximale Bearbeitungszeit von 2 Stunden einen Strich durch die Rechnung macht).
Grüße
Günter