Der Wehrmachts-Rundfunkempfänger WR1/P - ein Soldatenradio

  • Servus zusammen,

    heute möchte ich Euch einen "Wehrmachts-Rundfunkempfänger WR1/P" (Spitzname "Rudi") von 1942 vorstellen - ein meiner Kenntnis nach eher seltenes Gerät (vor allem in gutem Zustand):

    Das hier vorhandene Gerät ist ein Blaupunkt WR1/P (mit Loctal-8-Batterieröhren (Sockel B8G) der 20er-Serie) - das Gerät gab es (bei praktisch identischen Funktionsdaten und identischem Äußeren) auch noch als WR1/T (mit Stahl-Batterieröhren (Sockel Y8a) der 10er-Serie). Das weiter unten verlinkte Handbuch beinhaltet die Schaltbilder für beide Geräteversionen.

    Dieser Gerätetyp war als Soldatenradio im Feld, an der Front, im Schützengraben und im Bunker gedacht. Deswegen sieht vieles an der Auslegung dieses Radios deutlich anders aus als bei "normalen" Wohnzimmerradios jener Zeit:

    • Die Stromversorgung ist das, was man heute wohl ein "Wide-Range-Universal-Power-Supply" nennen würde: Neben einer Versorgung per Heiz- und Anodenbatterie (90[V]) oder auch per Akku ("Sammler") ist auch Netzbetrieb möglich - und zwar von 110[V] bis 250[V] Wechselspannung oder 90[V] bis 250[V] Gleichspannung. Natürlich passierte die Spannungsumschaltung nicht automatisch - das Gerät muß über einen vielstufigen Drehschalter eingeschaltet werden und dieser Schalter langsam Stufe für Stufe hochgeschaltet werden - wenn der Zeiger des Anzeigeinstruments im roten Bereich steht, ist das Gerät optimal an die vor Ort vorhandene Netzspannung angepaßt.
    • Die Kiste mußte unter den vorgesehenen Betriebsbedingungen "laut" können und verfügt deswegen über eine Gegentaktendstufe und einen wirkungsgradstarken und gar nicht sooo kleinen Lautsprecher.
    • Die Schaltungsauslegung des Geräts mußte sich deutlich von den Massen-Heimempfängern jener Zeit unterscheiden (die ja so unempfindlich sein sollten, daß sie am besten nur den Reichssender (und auf keinen Fall London oder Moskau) empfangen konnten): Deswegen mußte das - wegen des Empfangs von Sendern an Standorten tausende Kilometer fern der Heimat - ein Mehrbereichs-Super mit deutlich HF- und NF-Verstärkung sein. Etwas Aufwand in der Vorselektion war auch von Nöten: Schließlich sollte der Standort des Geräts vom Feind ja nicht über dessen Oszillatorstörstrahlung angepeilt werden können (was wegen der niedrigen ZF von 468[kHz] und der damit einhergehenden mangelnden Weitabselektion beim Betrieb auf Kurzwelle wahrscheinlich trotzdem möglich war). Die Anschlußmöglichkeit einer Vielzahl (auch unorthodoxer) Antennen (bis hin zum sprichwörtlichen Metall-Bettgestell) war ebenfalls ein Muß (Zitat Handbuch: "im Bunker: Unbeschaltete Ader oder Mantel des Festungsaußenkabels").
    • Je nachdem, wo in der Welt sich dieser Empfänger befand, waren ggf. unterschiedliche und gespreizte Kurzwellenempfangsbereiche erforderlich. Die Standardversion des Geräts umfaßte LW, MW und KW (5,9[MHz] bis 15,8[MHz]). Deswegen gab es für dieses Gerät auch einen reinen Kurzwellenspulensatz für alle drei Bereiche samt passender Austauschskala (beides hat das Gerät hier nicht - es ist das Standard "LW/MW/KW"-Gerät).
    • Für besondere Anwendungen gab es dieses Gerät auch noch mit einer Telegrafieüberlagererstufe (BFO) für tonlose Telegrafie (A1) - auch diese Sonderausstattung ist in dem Gerät hier nicht enthalten.
    • Alle Anschlüsse müssen an der Frontplatte liegen, damit man das Chassis von vorne in ein mehr oder weniger dichtes Panzerholzgehäuse ohne Öffnungen schieben kann. Das war sicher auch aus Verlustleistungsgründen durchaus eine Herausforderung: Speziell beim Betrieb mit hohen Netzspannungen wird in der Kiste doch eine Menge Leistung verbraten und in all den Vorwiderständen in Wärme umgesetzt. Damit diese Wärme irgendwie aus dem Gehäuse rauskann, gibt es oberhalb des Lautsprechers auf der Frontplatte diese eigenartig aussehende "Wärmeabfuhrhutze" (möglicherweise auch zum Auftauen eingefrorener Finger bei Minusgraden im Feld geeignet).
    • Zum Thema "Schallplatten- und Mikrofonbetrieb" kommen wir weiter unten in der Bildersektion noch.

    Dieses Gerät hier war offensichtlich gerade noch nicht sehr massiv von den Einsparungen wegen Materialmangels betroffen, die sich dann im weiteren Kriegsverlauf immer stärker bemerkbar machten (es ist z.B. noch mit dem Instrument ausgerüstet - das entfiel bei späteren Geräteserien und führte zu einer abenteuerlichen Einschaltprozedur mit "Schätzung der Netzspannung" (ob das immer alle Röhren überstanden haben?)). "noch nicht sehr massiv" schreibe ich deswegen, weil auf den Trafos und Drosseln schon Vermerke drauf sind, daß die Konstruktion zur Materialeinsparung geändert wurde - dazu weiter unten bei den Photos mehr.

    Das hier vorhandene Gerät wurde über Jahrzehnte umfangreich restauriert. Der letzte Restaurationspunkt vor ein paar Tagen war die Skala - die Originalskala war zerbrochen und unansehnlich und sah so aus:

    Ich hab' da zuerst viel probiert, um mit Scannen und dergleichen irgendwie wieder eine ansehnliche Skala auf die Füße zu stellen - diese Versuche sind alle gescheitert. Eine etwas intensivere Internet-Recherche förderte dann allerdings eine Person in Serbien (!) zu Tage, die solche Skalen neu nachfertigt (ob es da vielleicht Zusammenhänge (Opa oder so?) mit dem seinerzeit wohl (und der Quellenlage nach beileibe nicht nur bei den Deutschen) recht beliebten, deutschen Soldatensender Belgrad gibt? https://de.wikipedia.org/wiki/Soldatensender_Belgrad ,

    External Content www.youtube.com
    Content embedded from external sources will not be displayed without your consent.
    Through the activation of external content, you agree that personal data may be transferred to third party platforms. We have provided more information on this in our privacy policy.
    ) (für die Moderation: das ist absolut unpolitisch - ich möchte das nur in einen (von mir vermuteten) historischen Kontext stellen) - so sieht jedenfalls die neue Skala aus Serbien im eingebauten Zustand aus:

    Auch wenn das ein vergleichsweise aufwendiges Wehrmachts-Gerät ist (und beileibe kein "ziviles" Radio): Aufbaumäßig ist das eine furchtbar verbaute Kiste mit großem Fluch(t)potential bei Reparaturen - kein Vergleich zum gradlinigen Aufbau und der Servicefreundlichkeit "echter" professioneller Geräte wie dem "Köln" (eine Telefunken-Entwicklung von vor 1941 - der "Köln" tat ja in größeren Stückzahlen weit nach Kriegsende noch bis mindestens 1958 bei "Norddeich Radio" seinen zivilen Dienst ( gut zu besichtigen hier:

    External Content www.youtube.com
    Content embedded from external sources will not be displayed without your consent.
    Through the activation of external content, you agree that personal data may be transferred to third party platforms. We have provided more information on this in our privacy policy.
    ) oder dem "Torn.E.b" (oder wenigstens dem "10W.S.c" oder "5W.S.c")):

    Chassisansicht von rechts:

    Chassisansicht von rechts (Detail Gegentakt-Ausgangsübertrager) - hier ist die Rohstoffmangelsituation schon "aktenkundig":

    Chassisansicht von hinten:

    Die beiden runden Durchbrüche im Chassis sind vorgesehen für den Telegrafieüberlagerer (BFO) für tonlose Telegrafie (A1) - und zwar für die Röhrenfassung und den Schwingkreis-ZF-Filterbecher (das Ding schwang ja ungefähr auf der ZF). Diese "Option" weist das Gerät hier nicht auf. Desweiteren ist noch eine Fassung für eine DF26 zu sehen, in der keine Röhre steckt. Das ist kein Versehen (die Röhre ist hier vorhanden): Diese DF26 ist die Mikrophonvorverstärkerröhre. Wenn kein Mikrophonbetrieb erforderlich war, wurde diese Röhre bei Netzbetrieb gezogen - das Handbuch verrät auf Seite 8, warum:

    "Mikrofonanschluß: Hierzu muß das Gerät mit dem Zusatzrohr DF26 bestückt sein. Netzbetrieb wegen starken Brumms ungeeignet".

    Bei einem Blick ins Schaltbild (Unterlagenlink weiter unten) wird auch klar, warum: Sobald das Gerät auf Tonabnehmerbetrieb steht, liegt die Anode der Mikrophonvorverstärkerröhre (eben der DF26) wechselspannungsmäßig am Gitter des Triodensystems der DAC25 (egal, ob da ein Mikrophon dranhängt oder ob Mikrophonbetrieb überhaupt erwünscht ist) und brummt den NF-Verstärker zu (das sind ja direkt geheizte Röhren - und sooo rein wird die Heizgleichspannung bei Netzbetrieb nicht gewesen sein) - deswegen: DF26 ziehen, wenn kein Mikrophonbetrieb erforderlich.

    Chassis von links:

    Chassis von unten:

    Chassis von oben:

    Es wurde ja weiter oben schon erwähnt: Der Standard LMK-Spulensatz auf der rechten Seite des Geräts ist austauschbar gegen einen reinen Kurzwellenspulensatz. Wenn man diesen Standard LMK-Spulensatz rauszieht, dann bekommt man in dessen Umfeld folgendes zu sehen:

    Chassis von rechts - Detail ohne Spulensatz (ein Vertauschen der einzelnen Spulen ist durch eine bei jeder Spule etwas andere Pinanordnung nicht möglich, das sind also 6 verschiedene Pinouts und auch 6 verschiedene Spulenfassungen - das ist also "soldatensicher"):

    Chassis von rechts - ohne Spulensatz - Blick auf die frontseitige Verdrahtung:

    Chassis von rechts - ohne Spulensatz - Blick auf die rückseitige Verdrahtung (ja, der angekokelte 50[Ω]-Widerstand ganz links ist mir bekannt):

    LMK-Spulensatz - Ansicht von oben:

    LMK-Spulensatz - Ansicht von unten:

    Die Batteriestromversorgung wurde ja weiter oben schon angesprochen. Im Gerät befindet sich noch eine Heizbatterie aus jener Zeit (die - höchst erstaunlicherweise - auch noch auf ca. 900[mV] Leerlaufspannung kommt):

    Der Anschluß der Batterien (oder Akkus) erfolgt über diese Batterie-Polplatte:

    Und damit bei Akkubetrieb ("Sammler" = die altertümliche Bezeichnung für "Akku") nicht die Heizfäden der Röhren durchbrennen, gibt es auf der Innenseite der senkrechten Klappe noch das da zu lesen:

    Ein paar persönliche Worte zu den vereinzelt zu sehenden, "moderneren" Bauteilen seien mir noch erlaubt: Die fachmännische elektrische Restaurierung dieses Geräts wurde (von meinem Herrn Papa) ungefähr im Oktober 2002 weitgehend beendet - mit dem Fokus auf Funktionstüchtigkeit. Mit leblosen und schweigsamen "Vitrinen"geräten (die toll aussehen und bei denen noch jede "Schraube" original ist und dem Lieferzustand entspricht) - das ist meine Meinung - holt man beim Nachwuchs (den sich viele in unserem Hobby ja durchaus wünschen) heutzutage jedoch keinen Hund hinter mehr dem Ofen hervor. Und Reparaturen sind ja ein normaler Bestandteil des Lebenszyklus' von technischen Geräten und dürfen - ebenfalls meiner Meinung nach - durchaus auch mit zum Zeitpunkt der Reparatur aktuellen Bauteilen durchgeführt werden. Falls jemand aus der "Nietenzähler"fraktion (ein Modelleisenbahnerbegriff) später (also nach mir) bei diesem Gerät trotzdem unbedingt noch Original-Teerkondensatoren aushöhlen möchte: es sei ihm unbenommen - die Altteile sind vorhanden......

    Zum Innenleben dieses Geräts gibt's hier noch jede Menge weiterer (Detail)Photos (mehr als 100) - ich wollte nur diesen Beitrag nicht zu sehr überfrachten. Wenn weitergehendes Interesse bestehen sollte, zeige ich natürlich gerne weitere (und detailliertere) Bilder.

    Ich bin gerade noch dabei, die (oben bereits erwähnte) Dokumentation (Bedienhandbuch, sehr gut lesbare Schaltbilder) als PDF zusammenzustellen und in einen Cloud-Downloadlink (wegen der Dateigröße) zu stecken - das dauert aber noch a bisserl, weswegen das in einem eigenen Beitrag passieren wird (weil mir hier bei diesem Beitrag die maximale Bearbeitungszeit von 2 Stunden einen Strich durch die Rechnung macht).

    Grüße

    Günter

    100[MHz]? Für Mikrowellenleute leicht welliger Gleichstrom.... :D

    Edited once, last by Klangschatulle (March 24, 2024 at 8:08 PM).

  • Danke für´s Zeigen, das ist ja ein schönes und interessantes Gerät.
    Vor allem mit dem Hinweis eines Skalenherstellers in Serbien - was es nicht alles gibt :smiley20:

    Herzliche Grüße

    Pitter

  • Quote from "Klangschatulle" pid="272325" dateline="1711303460"


    Ich bin gerade noch dabei, die (oben bereits erwähnte) Dokumentation (Bedienhandbuch, sehr gut lesbare Schaltbilder) als PDF zusammenzustellen und in einen Cloud-Downloadlink (wegen der Dateigröße) zu stecken - das dauert aber noch a bisserl, weswegen das in einem eigenen Beitrag passieren wird (weil mir hier bei diesem Beitrag die maximale Bearbeitungszeit von 2 Stunden einen Strich durch die Rechnung macht).

    Servus zusammen,

    zunächst einmal das Wichtigste - die Schaltbilder und Stücklisten (die Schaltbilder liegen in einer deutlich höheren Auflösung vor (mit 600[dpi] gescannt) - die mußte ich aber erheblich "eindampfen", weil die Forensoftware keine Dateigröße von mehr als 1[MByte] für Attachments zuläßt):

    Das Schaltbild für den WR1/P (das Gerät, welches hier vorhanden ist):

    Zu diesem Gerät gehört die nachfolgend gezeigte Stücklistenänderung - alles, was da nicht drin steht, ist identisch zur weiter unten dargestellten Stückliste des WR1/T (das Gerät mit den Stahl-Batterieröhren der 10er-Serie):

    Netter Begriff bei der letzten Röhre: "Lauschrohr".


    Das Schaltbild für den WR1/T (das Gerät mit den Stahl-Batterieröhren der 10er-Serie):

    Zu diesem Gerät gehört die nachfolgende Stücklist (die - mit Ausnahme obiger Änderungen / Ergänzungen) auch für den WR1/P gilt):


    Auf Basis der Schaltbilder ein paar Kommentare von mir:

    • Die Tonblendenschaltung (3 schaltbare Kondensatoren parallel zu den Anoden der Endröhren) ist meiner Meinung nach recht unorthodox. Was die Entwickler dazu bewogen hat, bei einem batteriebetriebenen Gerät die Tonblende an die Stelle mit dem größten Leistungsniveau zu setzen, wäre wirklich mal interessant zu wissen. Auch die Leitungsführung spricht da dagegen: Da müssen vier Leitungen, die hohen NF-Pegel führen, an den Stufenschalter auf der Frontplatte gebracht werden.....
    • Die NF-Endstufe mit Trioden aufzuziehen - was ja den Wirkungsgrad deutlich drückt - ist auch ein interessantes, für mich nicht ganz nachvollziehbares Detail. Aber: Da der NF-Zweig nicht über eine Gegenkopplung verfügt, war vielleicht der (verglichen mit Pentoden) niedrigere Innenwiderstand der Trioden wichtig, um wenigstens irgendwas in der Richtung eines niedrigeren "Dämpfungsfaktors" zu erreichen und damit die Verzerrungen und die Welligkeit des NF-Frequenzgangs wenigstens halbwegs im Zaum zu halten. Vielleicht war es aber auch der Umstand, daß es die beiden Triodensysteme in einem Glaskolben gab - bei Pentoden hätte man zwei einzelne Röhren benötigt (wegen deren höherer Verstärkung hätte sich damit aber unter Umständen die Treibertriode komplett sparen können und den Treibertrafo direkt an die DAF25 ankoppeln können).
    • Eine Triode (DC25) als NF-Treiberstufe verstehe ich auch nicht ganz - mit einer Pentode hätte man deutlich mehr Verstärkung erzielt, was möglicherweise eine Gegenkopplung ermöglicht hätte.
    • Das Gerät verfügt über eine gehörrichtige Lautstärkeeinstellung ("Loudness"; Abgriff am Lautstärkepotentiometer) - für ein Gerät dieses Baujahrs durchaus nicht selbstverständlich.
    • Die Schwundregelung ist recht aufwendig gestaltet - die HF-/Mischstufe sowie die 1. und 2. ZF-Stufe haben jede ihren eigenen Regelspannungszweig.


    Ich werde in nächster Zeit mal versuchen, das Gerät im Batteriebetrieb (Monozellen für die Heizung und 10 Stück 9[V] Batterien für die Anoden; beides in Serien mit Strommessern) wieder aus dem Dornröschenschlaf zu wecken - schau mer mal, ob mir das gelingt.

    Das komplette PDF-Handbuch ist noch nicht ganz fertig - das verlinke ich dann in einem nächsten Beitrag.

    Grüße

    Günter

    100[MHz]? Für Mikrowellenleute leicht welliger Gleichstrom.... :D

    Edited once, last by Klangschatulle (March 25, 2024 at 10:38 AM).

  • Danke, Rolf! Ich bin im Moment grade dabei, Batteriesätze für dieses Gerät zu "stricken" (Eneloop-Akkus für die Heizung - die passen mit 1,31[V] Leerlaufspannung genau) und in Serie geschaltete 9[V]-Batterien für die Anodenspannung - dazu noch Strommesser in jeden Batteriezweig, damit man schnell sieht, wenn irgendwas aus der Spur gerät. Dann schaun wir mal, was die Kiste sagt. Erst wenn die Batterie-Feuertaufe erfolgreich war, werde ich mich irgendwann dem Netzbetrieb zuwenden (der ja wegen der fehlenden Netztrennung nicht ganz ungefährlich ist).

    Grüße

    Günter

    100[MHz]? Für Mikrowellenleute leicht welliger Gleichstrom.... :D

  • Servus zusammen,

    so, der erste Test des WR1/P hat vorgestern und gestern abend von 18 bis 20 Uhr und gestern morgen von 06 Uhr bis 10 Uhr (beides MESZ) stattgefunden (wegen der MW- und KW-Ausbreitungsbedingungen bei Dunkelheit / Dämmerung). Wie oben schon beschrieben, beschränke ich mich momentan auf den Batteriebetrieb (auch wegen der im Handbuch genannten Brummproblematik) - dazu braucht's natürlich entsprechende Anoden- und Heizbatterien.

    Im Original ist für den WR1/P laut Handbuch eine Anodenbatterie von 90[V] vorgesehen. Auf der anderen Seite steht aber im Handbuch (im Schaltbild) auch klar drin, daß die Anoden-Betriebsspannung im Netzbetrieb ab 160[V] Netzspannung 135[V] beträgt - und zwar bei absolut identischer Heizspannung. Nachdem eine Anodenbetriebsspannung von 135[V] (verglichen mit 90[V]) höhere Lautstärken und bessere Empfangsleistungen erwarten läßt, hab' ich mir eine 135[V]-Anodenbatterie "selbstgestrickt" - das sind 15 Stück 9[V]-Zellen - die sind fabrikneu (also noch nicht gelaufen); die "Industrial"-Version liegt allerdings schon so um ein Jahr hier rum (Gerät ausgeschaltet, Batteriepack im Leerlauf):

    Schaltet man das Gerät ein (das sind noch keine Heizbatterien angeschlossen - also nur Anodenspannung), dann braucht bereits irgendwas geringfügig Strom (und, nein, es ist nicht das Instrument - die Multimeteranzeige sieht auch ohne gedrückte Instrumententaste so aus) - jedenfalls sinkt die Batteriespannung leicht ab:

    Wenn man nur 10 Stück 9[V]-Batterien in Serie schaltet, dann hat man eine 90[V] Anodenbatterie - so wie das für Batteriebetrieb auch vorgesehen war. Der Instrumentenausschlag bei dieser 90[V] Anodenbatterie:

    Die 135[V] Anodenbatterie hab' ich dann in das dafür vergesehen Batteriefach verfrachtet und provisorisch fixiert (diese 15 Stück 9[V] Batterien passen vorne und hinten genau und werden bei geschlossener Frontplappe fixiert):

    Die Heizbatterie besteht im Original aus 2 Stück 1,25[V] Zellen, die in Serie geschaltet sind. Damit werden zwei Heizkreise realisiert (u.a. auch, um am Spannungsabfall der Heizfäden die negativen Gittervorspannungen zu erzeugen, da ja eine Arbeitspunkteinstellung mittels Kathodenwiderstand bei direkt geheizten Röhren nicht geht). Diese 1,25[V] dürften laut Röhrendatenblättern um maximal +15% überschritten werden, um die Heizfäden nicht zu gefährden - maximale Heizspannung also 1,437[V]. Damit scheiden 1,5[V] Trockenbatterien (Alkaline etc.) für die Heizung aus. Ich habe mich deswegen für die Heizung mit NiMH-Akkus entschieden: Je 3 Stück Eneloop Mignonzellen "AA" werden in einem Adapterhalter in eine Monozelle umgewandelt (die Dinger werden dazu stumpf parallelgeschaltet - da deren Leerlaufspannungen aber alle sehr eng toleriert beieinander liegen (1,31[V]), ist das zulässig). Heizakkus im dafür vorgesehen Heizakkufach:

    Mit diesen Heizakkus sieht die Heizspannungsanzeige im Betrieb so aus:

    Mit diesen Batterien für Anode und Heizung wurde dieses ≈ 82 Jahre alte Gerät nun eingeschaltet und an einem ≈ 15[m] langen Draht als Antenne betrieben. Gerät im Wohnzimmer im Erdgeschoß, Antenne in max. ca. 2[m] Höhe im Garten. Keine Erde (also kein Gegengewicht) angeschlossen. Auf Mittelwelle und auf Kurzwelle war echt was los - auf Langwelle waren es zwei Sender.

    Kommentare:

    • Der hausgemachte Radau ist gewaltig. Insbesondere LED-Lampen knattern zum Teil heftig in der Gegend rum - ob da Ein- oder Doppelweggleichrichter im Störer am Werk sind, ist gut zu hören.
    • Vorstehender Punkt erzwingt für streßfreien Empfang praktisch eine Antenne nur im Freien und so weit weg wie möglich weg vom Haus. Da eine Signalzufuhr dann nur mit Koaxkabel (also 50[Ω] bis max. 93[Ω]) möglich wäre, müßte man direkt am Empfängereingang breitbandig hochtransformieren, um wenigstens in etwa die Impedanz des hochohmigen Empfängereingangs zu treffen.
    • Neben den Störungen und vielen Sendern sind auf KW auch jede Menge Jaul- und Rauschwobbler zu hören. Die Dinger sind meistens lauter als die Nutzsignale von Rundfunksendern - bei diesen Störern müssen also beachtliche Sendeleistungen dahinterstecken.
    • Die Batteriespannungen nach Dauerbetrieb (MW, 1,2[MHz], Zimmerlautstärke) von: 2,5 Stunden: 130,2[V] / 1,248[V] / 1,249[V] - 4,0 Stunden: 124,7[V] / 1,246[V] / 1,245[V].
    • Der Drehko hat keinen frequenzlinearen Plattenschnitt. Auf KW hat 1[MHz] auf der Skala am unteren Bandende eine Bogenlänge von ≈ 5[cm], am oberen Bandende sind es noch ≈ 2[cm]. Ein bei Mittelwelle frequenzlinearer Plattenschnitt der Drehkos hätten allerdings bei Kurzwelle auch nichts genutzt, weil ihn die für KW erforderlichen Verkürzungskondensatoren zunichte gemacht hätten.
    • Auf KW ist sowieso schon keine vernünftig feinfühlige Sendereinstellung mehr möglich - dazu ist der Bereich von 5,9[MHz] bis 15,8[MHz], der in "einem Rutsch" durchgestimmt werden kann, viel zu groß. Für das obere Bandende gilt das in verschärftem Maß.
    • Der Klang ist voll mit erstaundlich viel Baß - und das Gerät kann durchaus laut spielen.
    • Die schaltbare Tonblende funktioniert - das höre sogar ich mit meinen eher kaputten Ohrwaschln.
    • Die Glimmlampe leuchtet bei Batteriebetrieb nicht - das ist auch richtig so, weil sie zum Zünden Netzspannung braucht.
    • Der Oszillator (VFO) ist für AM-Betrieb auch bei KW hinreichend stabil, ist allerdings handempfindlich, wenn man sich von außen dem Gerät nähert (ist in dem weiter unten verlinkten Kurzvideo gut zu sehen und hören).

    Einen interessanten Effekt gab es, den ich zunächst mal nicht deuten konnte: Beim Empfang auf 6.070[kHz] hörte ich neben dem AM-Rundfunkprogramm auch noch etliche Telegrafiesignale (CW) unterschiedlicher Tonhöhe, aus denen ich u.a. "CQ40" rauslesen konnte. Das waren also allgemeine Anrufe aus dem 40[m]-Amateurfunkband. Nach einigem Nachdenken fiel dann der Groschen: Dieses Gerät hat nur einen einzigen Vorkreis und eine für KW sehr niedrige ZF (468[kHz]) - Spiegelfrequenzempfang ist also vorprogrammiert (6.070[kHz] + (2 x ZF; also 2 x 468[kHz]) = 7.006[kHz]). Der CW-Bereich des 40[m]-Bands geht von 7.000[kHz] bis 7.040[kHz] - die 7.006[kHz] liegen also mitten in diesem Telegrafiebereich. Der Rundfunksender auf 6.070[kHz] hat also den (für die Demodulation des tonlosen CW-Signals auf der Spiegelfrequenz) erforderlichen Träger geliefert - und mit der Abstimmung konnte ich die Tonhöhe einstellen (also quasi so eine Art BFO).

    Diese Telegrafiesignale variierten auch in der Tonhöhe, wenn ich mich mit der Hand dem Gerät näherte (Annäherung machte den Ton tiefer - also mehr Kapazität). Nachdem meine Hand weder die Frequenz des Rundfunksenders noch die Frequenz der Telegrafiesender beeinflussen konnte, bleibt als einzig beeinflußbare Frequenz die des abstimmbaren Oszillators (VFO) im Gerät übrig. Und diesen Oszillator kann man durch den Handeffekt bei KW um 500[Hz] oder mehr verstimmen (beim reinen AM-Empfang hört man das nicht - beim Überlagererempfang von A1-Telegrafiesignalen ist das aber sehr wohl hörbar):

    https://c.gmx.net/@767400504597682422/zcEaEvMdTPK7KVhGxRWGWQ - Parole: WR1PCWEmpfang

    Was außerdem auffiel, ist, daß jeder Sender im Abstand von ≈ 30[KHz] mit zwei Maxima auf der Skala auftaucht (und zwar sowohl bei MW- wie bei KW-Empfang). Das deutet auf einen davongelaufenen ZF-Abgleich hin. Ich verfüge nicht über eine Abgleichanleitung für dieses Gerät. Deswegen habe ich mir zum ZF-Zweig einmal ein paar grundsätzliche Gedanken gemacht:

    Zu den ZF-Schwingkreisen (468[kHz]): Diese Schwingkreise (egal ob die beiden Bandfilter oder der Einzelkreis in der Mitte des ZF-Zugs) haben laut Schaltbild alle einheitlich eine Kreiskapazität von 200[pF]. Hieraus errechnet sich eine Spuleninduktivität von einheitlich ≈ 578[µH] bei einem angenommenen ohmschen Verlustwiderstand der Spule von 10[Ω] bei der Betriebsfrequenz. Diese Annahme von 10[Ω] Verlustwiderstand erscheinen mir nicht komplett abwegig (die ZF-Spulen stehen in der Stückliste mit je 214 Windungen drin) - damit ergäbe sich eine Schwingkreisgüte "Q" von 170 und ein Resonanzwiderstand von 289[kΩ].

    Bei einer ZF von 468[kHz] und einer Güte von 170 ergibt sich damit eine (extern unbedämpfte) Bandbreite der Schwingkreise von ≈ 2,75[kHz]. Das ist für eine vernünftige Audio-Wiedergabe deutlich zu wenig. Die Bedämpfung der Schwingkreise durch die ZF-Pentoden kann man vernachlässigen (im Datenblatt der DF11 (die identisch zur DF25 sein soll, deren Datenblatt ich aber nicht habe) steht ein Innenwiderstand von > 1[MΩ] drin). Die beiden Bandfilter kann man ja (und soll man wahrscheinlich auch) versetzt zueinander abstimmen - beim Einzelkreis in der Mitte des ZF-Zugs geht das nicht, weswegen der mit einem 50[kΩ] Parallelwiderstand bedämpft sein dürfte.

    Alle fünf Kreise in der ZF sind identisch aufgebaut. Ich werden deswegen irgendwann in nächster Zeit versuchen, den ZF-Zug ungefähr nach folgendem Schema neu abzugleichen (professionelle, frequenz- und pegelstabile, AM-fähige und bis ins Mikrovolt-Gebiet abschwächbare Meßsender sind hier mehrere vorhanden (R&S)):

    • Zuerst würde ich den mittleren ZF-Kreis (C74 und L75) mit L75 auf Maximum auf 468[kHz] abgleichen.
    • Dann würde ich das letzte Bandfilter (C86 / L87 und L88 / C89) auf zwei Höcker abgleichen, und zwar: L87 auf 471,5[kHz] und L88 auf 464,5[kHz].
    • Dann würde ich das erste Bandfilter (C66 / L67 und L68 / C69) auf zwei Höcker abgleichen, und zwar: L67 auf 471,5[kHz] und L68 auf 464,5[kHz].
    • Anschließend würde ich mit einem Netzwerkanalysator noch die Durchlaßkurve wobbeln und ggf. mit den Bandfiltern noch einen Feinabgleich machen - den mittleren (fest auf 468[kHz] abgeglichenen) ZF-Einzelkreis würde ich jedoch nicht mehr anrühren.
    • Einspeisen würde ich das 468[kHz] ZF-Signal am Steuergitter der Mischröhre DCH25 (den Oszillator würde ich dazu vorübergehend lahmlegen). Damit würde das erste Bandfilter das "sehen", was es auch im Betrieb sieht - nämlich die Anode der Mischröhre.
    • Hinter dem ZF-Verstärker würde ich das HF-Signal am unteren Ende des Kreises L88 / C89 abgreifen. Die Regelung würde ich durch Kurzschluß der Diode in der DAC25 nach Masse lahmlegen.

    Gibt es zu dieser von mir angedachten Vorgehensweise von Eurer Seite Kommentare, Empfehlungen oder Verbesserungsvorschläge?

    Grüße

    Günter

    100[MHz]? Für Mikrowellenleute leicht welliger Gleichstrom.... :D

    Edited once, last by Klangschatulle (April 2, 2024 at 3:47 PM).

  • Hallo zusammen,
    ...ein sehr schönes Gerät. Danke für die ausführliche Vorstellung.

    Mich würde interessieren, wie die Empfindlichkeit des Empfängers war/ist. Kann dazu jemand Auskunft geben oder habe ich es überlesen?

    Viele Grüße

    Viele Grüße
    Richie

    ~~~ Bauteile enthalten komprimierten Rauch. Ist der raus, sind sie hin. ~~~

  • Servus zusammen,

    Quote from "Tiger2de" pid="273406" dateline="1712393468"


    Ich wollte noch fragen wie den die Wiedergabe Qualität vom Ton ist?

    Da ich finde das der Radione R2 ein super klang hat, ist der Rudi da ähnlich?

    Etwas erahnen kann man den Klang in dem ca. 30-sekündigen Videolink weiter oben:

    Quote from "Klangschatulle" pid="272995" dateline="1712062212"

    Ich hab' zwar einen Radione R2 - aber der hart noch der Restaurierung. Deswegen kann ich zwischen den beiden Geräten derzeit noch keinen Klangvergleich anstellen. Den Klang des WR1/P würde ich - wie weiter oben schon beschrieben - als voll und mit durchaus Baß beschreiben - und laut kann das Gerät auch. Ich vermute mal, daß sich da klanglich noch etwas tut, wenn der ZF-Verstärker wieder richtig abgeglichen ist.

    Quote from "Richie" pid="273523" dateline="1712518023"


    Mich würde interessieren, wie die Empfindlichkeit des Empfängers war/ist. Kann dazu jemand Auskunft geben oder habe ich es überlesen?

    Für die weiter oben beschriebenen, recht bescheidenen und sehr provisorischen Antennenverhältnisse hat dieses Radio (wie beschrieben) erstaunlich viele Sender "reingebracht". Kann gut sein, daß das noch besser wird, wenn der ZF-Teil abgeglichen ist und die Antenne komplett nach außen wandert und (per Impedanztransformation) via Koaxkabel dem Gerät zugeführt wird, so daß die innerhäusigen Störer etwas weniger prominent in Erscheinung treten.

    Eine Empfindlichkeit in "[µV] Eingangsspannung eines Meßsenders in eine Kunstantenne" bei einem bestimmten Signal-/Rauschabstand kann ich erst dann angeben, wenn ich mit dem ZF-Abgleich (sowie ggf. Vor- und Oszillatorkreis-Nachgleich) fertig bin - das wird aber sicher noch eine Zeit dauern.

    Grüße

    Günter

    100[MHz]? Für Mikrowellenleute leicht welliger Gleichstrom.... :D

    Edited once, last by Klangschatulle (April 8, 2024 at 8:53 AM).

  • Quote from "Tiger2de" pid="273826" dateline="1712690034"


    Schade , in der Mehrheit fehlen immer die Halter für den Tragegurt unten sowie die schienen für den Rückenpolster.

    Dazu ist ergänzend zu sagen, daß die Rückentragegurte möglicherweise nicht Bestandteil der Standardausführung waren. Wenn die Geräte mit Rückentragegurten ausgerüstet waren, hießen sie vielleicht:

    • WR1/P m.Rü.
    • WR1/T m.Rü.


    Quelle: Museums Bote des ersten österreichischen Funk- und Radiomuseums, Nr. 132, Seite 9, November - Dezember 2005.

    [EDIT]: Obige Vermutung muß ich revidieren - das "Rü" steht wohl für "Rückkopplung", also die Ausführung mit Telegrafieüberlagerer (BFO).

    Quelle: http://www.tuberadio.com/robinson/museum/WR1P/ - Schaltungsausriß der BFO-Version:

    100[MHz]? Für Mikrowellenleute leicht welliger Gleichstrom.... :D

    Edited once, last by Klangschatulle (April 10, 2024 at 11:16 AM).

Participate now!

Don’t have an account yet? Register yourself now and be a part of our community!