Graetz 4R / 217 Musica von1955

  • Kurz vorgestellt, der Graetz 4R in der etwas preiswerteren Version. UKW/MW/LW, dazu ein einfaches Lautsprechersystem, angetrieben von einer EL84.

    Der als Raumklang-Vollsuper präsentiert Radioempfänger wurde um 1955 angeboten.

    Damals gab es keine Testzeitschriften und die Qualität eines Gerätes wurde noch an den Tasten und vorhandenen Drehknöpfe beurteilt. Dazu gab es die Mundpropaganda, der interessierten Radio-Fans. Schnell sprach sich herum, welches Gerät gut oder schlecht war oder diverse Mängel zeigten. Letztlich waren es wenige Jahre nach der UKW Einführung und die damaligen Hörer mussten sich immer noch an den „brabbeligen“ Ton der Nachrichtensprecher gewöhnen. Die Musik erklingt eher „basslastig“ und die früheren Empfänger waren dahingegen nur quäkige Kisten, deren Sprachverständlichkeit bei den damaligen Hörern besser ankam. Die Hörgewohnheiten waren das Problem und mit der Einführung der FM Modulation erstreckte sich auch ein weiteres Spektrum des NF – Frequenzbandes. Graetz und wie einige andere Hersteller setzten mit einer „Sprachtaste“ dagegen, der die Tiefenanhebung einfach einzog. So konnte „Sprache“ besser verstanden werden.

    Tja, so sah er damals aus. Teilweise war die Oberfläche verwittert und diverse Spuren zierten das Gehäuse. Ich bezeichne es mal so, dass sind keine Kratzer oder Schrammen, dass sind Jahresringe!

    Aus alt macht neu, ist eher was für „luschis“ und das gelingt nicht so einfach. Dazu nimmt man dem Gerät die Würde wie es halt die Zeit überdauert hat. Aber etwas schöner sollte es schon sein, ohne die diversen Attribute alternde Materie zu vernichten. An den Bildern sieht man den Fortschritt und den Erhalt. Da der Graetz täglich einige Stunden dudelt, musst dieser zwingend etwas sicherer gestaltet werden. Neuer Sieb-Elko und eine Anodensicherung vor dem Selengleichrichter ist sinnvoll. Man kann das auch so belassen und hoffen, dass es hält, aber Hoffnung ist in der Elektronik keine gute Option wenn es um Betriebssicherheit geht.

    Hier wurde die Schallwand schon eingebaut.

    Man kann das reinigen, oder auch lassen. Hier habe ich es gereinigt.......

    geht doch, sieht doch gut aus...oder?

    Alles wieder an seinem Platz. Das Chassis wurde etwas gereinigt.

    Das muss sein, die Anodenabsicherung!

    Neuer Elko......

    Der Selengleichrichter.

    Das Chassis bei der Prüfung....

    Die weite, weite Welt der ERO Kondensatoren.

    Heute ist es etwas mehr als zwei Jahre her, wo ich dieses Gerät buchstäblich vor der Müllpresse retten konnte. Ein früher milder Tag im Jahre 03.2022 und man läuft mit seinem „Wuffi“ entlang der heimischen Botanik. Ein abgelegenes Haus wurde gerade renoviert und der alte Schuppen im Garten ausgemistet. Ein Berg von Müll und diversen alten Schränken offenbarte mir eine Rückwand, deren Aufschrift wie ein QR Code mich reagieren ließ.

    Da stand er, mit der Rückwand zu mir und ich drehte das Gerät um. „Wow“ ein alter Graetz, zwar etwas mitgenommen und schrullig, aber komplett. Also kurzum den Besitzer gefragt und 30min später war der Graetz im Kofferraum.

    Wenn ihr Leser euch jetzt wundert: „da gibt es doch ein Bild vom Kuba-Imperial“, ja richtig erkannt. Der Kuba steht auch schon mal dort, wo normalerweise der Graetz steht.

    Der Sound des „Musica“ kann man heute als zurückhaltend und eher etwas dumpf bezeichnen. Die zwei vorhandenen dynamischen Hochtonlautsprecher waren seitlich oberhalb eingelassen und die innere Holzverkleidung darunter galt als Schallleiter, deren Ausgang rundherum der oberen Zierleiste versteckt ein leichtes „zirpen“ verkünden ließ. Man musste die Lautstärke schon etwas aufdrehen um das Hochtonsystem überhaupt zu hören. Allenfalls gelang es besser, wenn das Gerät diagonal in einer Ecke stand. Der verbaute Breitbandlautsprecher setzte dazu die magere NF-Leistung gut um. Der verbaute NF-Übertrager war kein kümmerliches Spulen-Hexenwerk und sorgte auch bei tieferen Tönen für einen passablen Sound, ohne dabei zu früh in die Sättigung zu gehen.

    Die etwas bessere Ausstattung des 4R glänzte mit mehr Wellenbereiche und einen Schallkompressor und zusätzlichen Klangtasten. Das hatte sich damals gut angehört und war vom Prinzip her nur ein Druckkammerlautsprecher der die Höhenwiedergabe erheblich verbessern sollte. Einige Hersteller setzten auch auf die elektrostatischen Hochtonlautsprecher, deren Wirkungsgrad nahezu gegen null lag. Diese „Dinger“ lagen in der Regel auf die Schirmgitterspannung und wurden leise über diverse Kondensatoren von der Anodenspannung mit moduliert. Praxis und Theorie zeigten schon damals, es geht kein Weg an dynamischen Systemen vorbei.

    Der „Musica“ hatte wie viele andere Leidensgenossen die typische Röhrenbestückung: ECC85, ECH81, EF89, EABC80, EL84 & EM80. Die als Überlagerungsempfänger konzipierte Schaltung gab damals das an, was man als Standard beziffern konnte. Bei Graetz vermisste man schon recht früh einer der typischen Gleichrichterröhren. Hier baute man schon die Graetz-Brücke ein die man bekanntlich heute einfach als Brückengleichrichter bezeichnet. Allerdings war es hier noch ein Gleichrichter aus der Fakultät „Selen“.


    Gruss Klaus

  • Ui, das magische Auge ist aber schön hell :)

    Das Gehäuse sieht ja wieder hervorragend aus, hast du es durch Polieren wieder so schön bekommen? Meine Sinfonia, auch vom Sperrmüll, hat den ominösen Schallkompressor. Für den getriebenen Aufwand ist das Ergebnis tatsächlich eher mäßig. Ich bin der oft gehörten Empfehlung gefolgt die Papierkondensatoren auszutauschen. Einer der beiden auf der Netzseite war mir direkt beim 1. Versuch um die Ohren geflogen. Gleichrichter und Siebelko waren unauffällig und durften bleiben. Was siehst du für einen Wert als Anodensicherung vor?

  • urz vorgestellt, der Graetz 4R in der etwas preiswerteren Version. UKW/MW/LW, dazu ein einfaches Lautsprechersystem, angetrieben von einer EL84.

    Hallo Klaus

    Du hast dir zwar Mühe gemacht das Radio vorzustellen, das wesentliche aber ausgelassen.

    Das 4R System im Deckel -Zwischenboden. Dort sitzen doch noch zwei Lautsprecher. Das 4R System

    Klug ist jeder. Der eine vorher, der andere nachher.

    mike :smiley43:

  • Also ich hab's gelesen und verstanden. Vermutlich sind die dynamischen Hochtöner ähnlich wie der Schallkompressor nur über einen kleinen Elko angekoppelt. Da kommt nicht sooo viel. Klar, der Höreindruck gewinnt bei Zuschaltung. Vielleicht hat der Elko an Kapazität oder ESR eingebüßt und Ersatz würde den Klang verbessern?

  • Ui, das magische Auge ist aber schön hell :)

    Das Gehäuse sieht ja wieder hervorragend aus, hast du es durch Polieren wieder so schön bekommen? Meine Sinfonia, auch vom Sperrmüll, hat den ominösen Schallkompressor. Für den getriebenen Aufwand ist das Ergebnis tatsächlich eher mäßig. Ich bin der oft gehörten Empfehlung gefolgt die Papierkondensatoren auszutauschen. Einer der beiden auf der Netzseite war mir direkt beim 1. Versuch um die Ohren geflogen. Gleichrichter und Siebelko waren unauffällig und durften bleiben. Was siehst du für einen Wert als Anodensicherung vor?

    Beim 4R/217 stehen DC Seitig ca.265Volt bei etwas mehr als 80mA. Ich habe es mit 160mA Mittelträge abgesichert. Wenn die Elkos leer sind würden etwas kleinere Werte oder Flinke unter Umständen die Sicherung ansprechen. Messe den Strom und probiere es. Ich würde die originalen Elkos nicht drin lassen. Früher oder später bekommen die einen Schluss und reißen den Gleichrichter gleich mit ins Nirwana. Das Gehäuse habe ich angeschliffen und nachgebeizt. Der Rest ist Klarlack aus der Spraydose.


    Gruss Klaus

  • Also ich hab's gelesen und verstanden. Vermutlich sind die dynamischen Hochtöner ähnlich wie der Schallkompressor nur über einen kleinen Elko angekoppelt. Da kommt nicht sooo viel. Klar, der Höreindruck gewinnt bei Zuschaltung. Vielleicht hat der Elko an Kapazität oder ESR eingebüßt und Ersatz würde den Klang verbessern?

    countryman, ja so ist es, die beiden Hochtöner sind zunächst in Reihe geschaltet und liegen parallel sekundär auf den NF-Übertrager mit 50µF zum Beitbandlautsprecher. Ein höherer ESR ist dabei uninteressant, da hier keine großen Spannungen anstehen. Ein Kurzschluss hätte die Folge, dass die kleinen Lautsprecher zu tief angeregt werden. Bei einem offenen oder nur noch bei minimierter Kapazität, würde der Hochtonanteil sich weiter nach oben verlagern und diese würden immer leiser werden. Ich habe es damals tatsächlich geprüft und die sind so, besser war das nicht. Aus alten Zeitschriften weiß ich, dass man zwar immer versucht hat es zu optimieren, aber letztlich war es auch eine Hörgewohnheit der damaligen Zeit. Ein weiterer Punkt darin war auch, dass man die NF-Übertrager eher auf Kostengründen klein gefertigt hatte, als auf einer besseren NF-Bandbreite. Die Röhre als aktives Bauteil ist nicht „dumpf“ oder klirrt hörbar vor sich hin (auch Pentoden nicht….K3 bzw. K2etc. Anteile), diesbezüglich auch der Mythos, dass es nur diese eine Röhre gibt die „super-duper-wahnsinnig“ klingt. Eher ist es die Schaltungsauslegung und deren damaligen Druck die Kosten zu minimieren. Mein letztes Projekt war eine Single A 2A3 Endstufe mit ECL 86 mit mehreren Vorstufen im Signalweg. Das ist aber schon lange her und dieser Verstärker war mehr als 25Jahre regelmäßig im Betrieb. Da konnte man getrost den Transistorverstärker in die Ecke stellen. Die 2A3 hatte dabei nur 2x3.5Watt effektive Leistung, dass reichte aber vollkommen aus und der Sound war und ist super, dass nur mal so am Rande was die Röhren konnten.


    Hab mir mal den Schallplan des Sinfonia 422 angesehen. Das ist typisch Graetz und ein Upgrade zum Musica. Schönes Gerät!


    PS: nach mehr als zwei Jahren Regelbetrieb, ist auch diese EM80 so langsam ausgebrannt…….

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