Hallo zusammen,
kürzlich habe ich dieses 90 Jahre alte Gerät hier vorgestellt: Eumig 633 – Gleichstromempfänger von 1934/35 Wer etwas über das Gerät und den Hintergrund und den Zustand erfahren will, kann zunächst dort nachschauen.
In diesem Beitrag soll es um die Wiederherstellung gehen. Ausgangspunkt ist
- Holzgehäuse mit diversen Schäden an Furnier und Unterbau. Der Holzrahmen der Schallwand ist aus dem Leim, Die Rückwand fehlt.
- Ein komplettes, inzwischen weitgehend ausgeräumtes Chassis.
Alle Chassisteile, die separat aufgearbeitet werden müssen, finden sich in dieser Übersicht wieder:
Inzwischen konnten einige der defekten Komponenten wieder funktionstüchtig gemacht werden:
Beim Mitkopplungs-Drehko wurde die Achse eingerenkt, mit der Trägerplatte verklebt und alle Lamellen neu ausgerichtet, so daß die Drehung im vollen Winkel kurzschlußfrei und die Kapazität von 25 … 220 pF verstellbar ist.
Der Wellenschalter erhielt einen neuen Betätigungshebel, Kontakte wurden gerichtet und gereinigt und das an dessen Einbaustelle verbogene Chassis gerichtet.
Das L/M-Spulenaggregrat wurde ausgebaut, für Schaltschema und Verdrahtungsplan dokumentiert und genauer nach Schäden untersucht. Der ausgerissene Befestigungswinkel wurde neu montiert und mehrere abgerissene Spulenenden neu kontaktiert. Die MW-Spule ist zwar durch Kratzer lädiert, da aber noch durchgängig, wurde sie erstmal so belassen.
In der folgenden Zeichnung sind Position und Induktivität der Spulen wiedergegeben.
Die Bezeichnungen findet man im noch folgenden Schaltschema wieder.
Als aufwendig erwiesen sich die Schäden am Hauptdrehko und dessen Antrieb.
Friktionsantrieb
Beim Richten der verbogenen Antriebswelle für den Friktionstrieb ist leider ein Malheur passiert. Die Sprödigkeit des Altmaterials unterschätzend brach ich das dünnere Wellenende kurz vor dem Ziel ab. Ich lerne daraus, daß man so altes Messing vor dem Zurückbiegen tempern sollte!
Statt ein Drehteil komplett neu anzufertigen habe ich die alte Welle durch Hartlöten wieder flott bekommen.
Das Bild zeigt den Friktionsantrieb nach dem Zusammenbau. Ich habe dafür nur einen Weg gefunden: Erst Messingwelle und Federgehäuse zusammenbauen und Feder mit Stift kontern, schmalen Halter durch das Friktionsrad führen, die Welle einstecken und die Radachse in die Bohrungen des U-förmigen Halters einklicken lassen. Friktionswelle vorn fixieren und den Halter nach hinten ziehen und leicht um die Welle drehen, so daß das Friktionsrad von der Welle eingeklemmt wird. Dann den kleinen Halter verschrauben.
Baustelle: Rotor. Die Rotorlamellen konnten aus dem bröckeligen Gußteil unversehrt gerettet werden. Die Zinnpest hat netzartig feinste Risse gebildet, wodurch sich der marode Gußkörper leichter von den Lamellen trennen ließ. Für eine Ersatzlösung sind Zwischenringe angedacht, wie sie auch an alten Drehkos anzutreffen sind. Aus Zinnblech herausgearbeitet und auf ein Alurohr als Träger werden die Ringe abwechselnd mit einer Lamelle aufgeschoben, exakt ausgerichtet und zusammengepreßt. Im ausgerichteten und gepreßten Zustand wird das Paket dann zusammengelötet und auf der Originalwelle durch 2 Madenschrauben wie im Original fixiert. Der Stator ist noch in Ordnung. Die weitere Inbetriebnahme soll aber davon nicht aufgehalten werden. Mit einem x-beliebigen Ersatzdrehko kann begonnen werden.
Baustelle: Der Heizungs-Vorwiderstand wurde ausgebaut und zerlegt. Der Restdraht ist mehrfach gerissen und reicht nur für ca 350 Ohm. Ein Teil konnte wieder mit dem originalen Drahtrest gewickelt werden, muß noch mit neuem Draht ergänzt werden. Leider ist der passende Widerstandsdraht (xxx Ohm/m) ohne Oxydschicht, so daß nicht Draht an Draht gewickelt werden kann. Eventuell brauche ich wegen Platzmangels auf dem Wickel ein Altteil zum Schlachten. Die Widerstandswerte sollten um 90 bzw. 800 Ohm liegen.
Baustelle: Sperrkreis. Aus einem Drehkondensator und einer Mittelwellenspule mit Anzapfung kann ein Sperrkreis nach Fotovorlagen angefertigt werden. Er wird rechts an der Seitenwand angebracht und durch eine Steckverbindung mit einem der Mittelwellen-Antennenbuchsen verbunden. Die Drehkowelle ragt aus der Rückwand.
Baustelle: Automatische Netzabschaltung. Bei Entnahme der Rückwand wird das Gerät stromlos. Bewirkt wird dies durch zwei Steckstifte an der Rückwand, die beim Abziehen zwei Federkontakte an der Chassishinterseite öffnen. Diese Funktion wurde durch Einbau eines Einschalters in die Pertinaxplatte aufgehoben. In der Platte sind Nietreste noch vorhanden, die eine Rekonstruktion der Kontaktfedern erlauben.
Baustelle: Einschalter. Der einpolige Drehschalter soll wieder an die Front ziehen und die abgebildete Atrappe ablösen.
Erstellung Verdrahtungsplan
Bei der Überprüfung der Chassisunterseite mußte ich bei dem in der Gerätevorstellung gezeigten Schaltplan Ungereimtheiten im Schaltung und Dimensionierung feststellen. Die Wellenschalter sind so gezeichnet, dass z.B. Langwellenempfang so nicht funktionieren kann. Auch sind Kondensatoren falsch verbunden und Bauteilwerte anders angegeben. Der Sperrkreis ist unvollständig wiedergegeben, u.s.w..
Da bei diesem Gerät die Verdrahtung der Chassisunterseite mit Ausnahme des Netzeingangs unberührt ist, besteht eine verläßliche Basis für die Erstellung eines Verdrahtungsplans.
Schaltplan
Für das Wechselstrommodell 923 dieses Einkreisers existiert ein EUMIG Schaltschema, aus dem der Hochfrequenzteil übernommen werden kann. Beide Typen verwenden den gleichen Spulensatz und Wellenschalter. Die Schaltung des Niederfrequenzteils konnte aus dem Verdrahtungsplan des 633 abgeleitet werden. In der folgenden Abbildung ist das angepaßte Schaltschema für den Typ 633 wiedergegeben.
Eumig versah die Komponenten im Schaltschema nicht mit Dimensionierungsangaben. Auch dazu wurde die Verdrahtung inspiziert.
Komponenten
An den verbauten Komponenten dieses Geräts kann man erkennen, daß vor allem Hersteller aus der ehemaligen Doppelmonarchie Österreich-Ungarn als Zulieferer Berücksichtigung fanden: Die Originalröhren stammen von Philips Österreich (bzw. Tungsram-Sator), die Widerstände und die Papier-Rollkondensatoren tragen den Herstelleraufdruck „SATOR Austria“, der Becherelko ist noch ein Original von DITMAR (Hersteller: R. Ditmar, Gebr. Brünner AG, Wien X). Dieser seltene 8 µF-Elko hat noch 6,5 µF Restkapazität und wird so belassen. Die Ditmar AG war Quereinsteiger im Radiogeschäft mit ihrer Kondensator-Produktion, sonst führender Hersteller für Petroleumlampen und später Ausrüster für elektrische Laternen. Die Elko-Produktion dürfte um 1934 neu ins Programm gekommen sein.
Röhren
Bei den Röhren wird der seltene Sockeltyp Europa 5+1 (EuU) verwendet. Auch die Fassungen für die 5-Stift-Trioden sind von diesem Typ. Die Röhrenvarianten mit seitlicher Sockelschraube sind also nicht ohne weiteres nutzbar. Als Ersatzröhren wurden für dieses Gerät die besser verfügbaren Telefunken REN(S)-Röhren eingesetzt. Alle tragen keinen Zusatz „Serie“ für die Eignung in Serienheizung im Aufdruck, deren tatsächlich benötigter Heizstrom bei 20 Volt wäre also noch zu prüfen.
Bei Fortschritten an den Baustellen folgt ein Update dieses Berichts. Außerdem stelle ich die Aufarbeitung des Gehäuses vor, die parallel läuft.
Bis dann,