Von Anfang an in Familienbesitz: Grundig 2012

  • In meiner Vorstellung hatte ich ja geschrieben, dass ich einen Grundig 2012 besitze, der seit Neukauf in Familienbesitz ist.

    Zunächst der Steckbrief:

    Hersteller: Grundig (Radio-Vertrieb, RVF, Radiowerke); Fürth/Bayern
    Typ: Rundfunkempfänger
    Modell: 2012, Ausf. IV
    Baujahr: 1952/53
    Röhrenbestückung: EC92, EF41, ECH81, EF41 EM34 oder EM35, EABC80, EL41
    Stromversorgung: Wechselstrom, 110; 125; 220; 240 umschaltbar
    Wellenbereiche: LW, MW, KW, UKW
    Bedienelemente: Lautstärkeregler, Tonblende, Tasten für AUS, TA, UKW, KURZ, MITTEL und LANG, Sendereinstellung
    Gehäuse: Holz
    Anschlussmöglichkeiten Rückseite: Plattenspieler, externer Lautsprecher, Drahtantenne, Dipolantenne, Erde
    Abmessungen: 545 x 340 x 242 mm
    Gewicht: 9,5 kg
    Lautsprecher: 1x Oval-Breitbandlautsprecher, 1x elektrostatischer Hochtöner
    Neupreis: 298,- D-Mark

    Gekauft wurde der Grundig vermutlich Anfang/Mitte 1953 von meinem Urgroßvater. Von da an stand er immer in der guten Stube und wurde Erzählungen meines Großonkels, meiner Großtante und meiner Großmutter nach niemals „achtlos zum dudeln“ eingeschaltet, sondern nur wenn es einen Grund gab. Sonntagnachmittag durfte die Märchenstunde gehört werden, und ab und an die Schlagerparade, ansonsten war das Radio für die Kinder tabu. Besonders spannend für meine Großmutter und ihre Geschwister war natürlich das grün leuchtende magische Auge.

    Besonders erwähnenswert: Meine Großmutter kann sich noch daran erinnern, wie sie 1954 mit fünf Jahren als jüngste mit der ganzen Familie um das Radio herum saß, welche gespannt das WM-Endspiel Deutschland gegen Ungarn verfolgte, inklusive Herbert Zimmermanns legendärem „Rahn schießt… Toor! Toor! Toor!“ :smiley58:

    In den frühen 60er Jahren wurde ein Dual-Plattenspieler angeschafft, der am TA-Eingang des Radios betrieben wurde, samt dem damaligen Prestigeobjekt schlechthin, einer Sammlung Deutsche Grammophon-Langspielplatten. (Letztere existieren zum Teil noch, der Plattenspieler ist leider verschollen. :smiley57:)

    Um 1970 herum wurde der erste Fernseher angeschafft, ab da wurde das Radio nur noch selten benutzt, bis es vermutlich in den 90er Jahren seinen Dienst quittierte.


    Als meine Urgroßmutter 2005 starb und die Wohnung aufgelöst wurde, nahm mein Großonkel das Radio zu sich mit nach Hause und stellte es in seine Werkstatt. Hier stand es knapp 15 Jahre, bis ich mit meinem frisch erworbenen RFT Dominante im Frühjahr 2020 bei meinem Großonkel ankam, um es zum spielen zu bekommen. (Siehe meine Vorstellung.)

    Als ich die Kondensatorkur am RFT im Sommer erfolgreich abgeschlossen hatte, fragte ich meinen Großonkel, ob ich mir nicht auch mal sein Grundig-Radio ansehen könnte. Um 2018 herum war allerdings ein Bekannter schon am Radio zugange gewesen, der dem Radio zwischendrin wieder Töne entlockt hatte. (Koppelkondensator und Becherelkos getauscht, letztere leider mit falschen Werten, 2x 100µF statt 2x 50µF. :smiley26:) Weiterhin hatte mein Großonkel das Netzkabel erneuert.

    Nachdem es nach Reinigung des korrodierten Sicherungshalters tatsächlich Töne von sich gab, nahm ich es mit nach Hause und tauschte die restlichen Kondensatoren und Elkos (inkl, den falschen Becherelkos) aus. Für ein Gerät der Mittelklasse waren es ganz schön viele, etwa 30 Stück! Ferner bestellte ich eine 6e5c und verdrahtete die Fassung entsprechend um, da die originale EM34 schon sehr schwach war. Wohlgemerkt war ich zu dem Zeitpunkt gerade mal 13 Jahre alt!

    Leider hatte das Radio nach der Überholung zwei Fehler, die es vorher nicht hatte: Es ging nicht immer an, und wenn es anging, dann sagte es keinen Ton. Mit schlechtem Gewissen rief ich meinen Großonkel an und berichtete ihm davon, dass ich an seinem Erbstück vermutlich etwas kaputt gemacht hatte. Dieser reagierte aber gelassen und sagte, ich solle nochmal mit dem Radio vorbeikommen, damit wir zu zweit reinschauen könnten.

    Die Ursache für den sporadischen Komplettausfall war schnell gefunden: Das Netzkabel, welches mein Großonkel installiert hatte, hatte einen Wackelkontakt! Flugs war ein anderes Netzkabel angelötet, und das Radio ließ sich wieder zuverlässig ein- und ausschalten. Ton kam aber immer noch nicht.

    Für diesen Fehler drehten wir das Radio auf die Seite und schalteten es wieder an: Da kam doch was raus! Nach einiger Suche stellte sich heraus, dass ein dünnes Käbelchen, welches eigentlich an eine seitliche Lötleiste angelötet sein sollte, eben nicht richtig angelötet war, und einen Wackelkontakt verursachte. Nach richtigem anlöten lief das gute Stück wieder perfekt und ich war erleichtert. :smiley34:

    Anschließend durfte ich das Radio als „Leihgabe“ wieder mit nach Hause nehmen. Hier machte ich das Gehäuse mit Walnussöl wieder schick und übergab das nunmehr elektrisch und optisch einwandfreie Gerät meinem Großonkel zu seinem 76. Geburtstag Ende Oktober 2020.

    Dieser freute sich sehr und stellte es in sein Wohnzimmer, wo bis dato nur ein einfaches Koffer-Transistorradio gestanden hatte.

    Nun vergingen knappe zwei Monate, wir schreiben den ersten Weihnachtsfeiertag. Als es an die Bescherung ging, holte mein Großonkel ein verpacktes Etwas hervor, das sich beim Auspacken als das Grundig-Radio herausstellte! Ich war überglücklich, dass ich nun die Ehre hatte, dieses Erbstück besitzen zu dürfen! :smiley58:

    Seitdem steht das Radio bei mir, und das wird auch bis an mein Lebensende so bleiben! :smiley53:

    Nach der eigentlichen Geschichte des Radios dürfen auch einige Fotos der Technik nicht fehlen. Vorab: Einige Dinge am Radio hätte ich rückblickend anders gemacht. Allerdings habe ich bewusst nach meiner damaligen Reparatur nichts verändert, da ich es auch reizvoll finde, nach Jahren in ein Gerät reinzuschauen, welches ich damals (bei dem Wort fühle ich ja schon alt, und das mit „nur“ 17! :smiley26:) mit nur rudimentären Kenntnissen repariert habe, und alle Lötstellen noch so sind, wie Ende 2020. Jede Lötstelle, jedes Bauteil, jede Modifikation, jeder Kratzer erzählt eine Geschichte, und das ist auch gut so.

    Fangen wir mit der Rückwand an:

    Hier geht es schon los mit den angekündigten „Geschichten“. Die Fehlstellen der Rückwand entstanden dadurch, dass als mein Großonkel das Radio kurz vor Weihnachten 2020 für mich eingepackt hatte, das Netzkabel an der Rückwand mit Tesafilm fixiert hatte, welches beim abmachen auch einen Teil der Beschichtung der Rückwand mit sich riss. Natürlich könnte ich mir eine einwandfreie Rückwand aus einem Schlachtgerät besorgen, allerdings erinnern mich diese Fehlstellen immer an den ersten Weihnachtsfeiertag 2020, wo ich das Radio freudenstrahlend ausgepackt habe. Daher bleibt die Rückwand am Radio.

    Weiter geht es im „Maschinenraum“:

    Direkt fällt die etwas abenteuerliche Lautsprecherverkabelung auf, die mein Großonkel eingebaut hat. Allerdings ist sie sehr servicefreundlich, man braucht nicht mal einen Schraubendreher, um das Lautsprecherkabel zu trennen.

    Ferner fällt der nicht originale kleine Lautsprecher auf. Der originale elektrostatische Hochtöner war leider defekt, und da ich eine gute Hochtonwiedergabe schätze (mit 17 habe ich noch ein gutes Gehör, da will ich das ausnutzen ;)) und keine Lust hatte, den Hochtöner mühsam zu reparieren, baute ich kurzerhand einen permanent-dynamischen Lautsprecher mit Kondensator ein, parallel zum Hauptlautsprecher angeschlossen.

    Der Druckschalter am magischen Auge stammt ebenfalls von mir, er schaltet bei Bedarf die Leuchtschirmspannung ab.

    Aus genannten Gründen („Jede Modifikation erzählt ihre Geschichte“) habe ich die gesamten „Pfusch-Modifikationen“ aber nicht wieder rückgängig gemacht.

    EL41 in Betrieb. Das Foto ist keineswegs unscharf, das Glas der Röhre ist leicht geriffelt.

    Die „alte Dame“ von unten. Es ist gut zu sehen, dass es recht eng zugeht. Die Netzelkos würde ich heutzutage vielleicht etwas hübscher platzieren, genau wie den Hochlastwiderstand für den Siliziumgleichrichter, aber ansonsten finde ich das Ergebnis für einen 13 jährigen gar nicht mal so schlecht. Immerhin habe ich ausnahmslos alle Papierkondensatoren erfolgreich ausgetauscht bekommen, auch die schwer erreichbaren, und das Radio hat meine Basteleien überlebt. :angel:


    Grundsätzlich muss ich sagen, dass die „Kleblattserie 1952/53“ aus dem Hause Grundig für mich persönlich mit eine der besten Gerätereihen überhaupt sind. Ich hatte schon das Vergnügen neben dem 2012 auch Grundig 1010, (leider wieder verkauft) 3012 (Kundenauftrag) und 4010 (der wird definitiv nicht verkauft) überholen zu dürfen. Obwohl hier überdurchschnittlich viele Papierkondensatoren verbaut wurden, sogar im zugelöteten UKW-Tuner, lohnt sich eine Instandsetzung eines „Kleeblatt-Radios“ in meinen Augen immer. Der Klang ist auch bei den kleineren Geräten der Serie richtig gut. :smiley20:

    Mein Traum wäre es, irgendwann einen 5010 zu besitzen, aber das übersteigt meine finanziellen Möglichkeiten dann doch etwas zu viel. Vielleicht kommt ja irgendwann einer etwas günstiger ins Haus geflattert, bis dahin wird mich halt der 4010 vertrösten, den ich für angenehme 50 Euro bekommen habe. Der ist meines Wissens nach bis auf die Endstufe mit einer EL12 weniger und den fehlenden (elektrostatischen) Hochtöner im Basslautsprecher mit dem 5010 identisch und macht auch schon ordentlich Lärm. :smiley34:

    Edited 3 times, last by RadioHesse (March 6, 2025 at 12:59 PM).

  • Sehr schöne Gerätevorstellung, Tristan! Bei einem Gerät, mit dem die Familie auch historisch verbunden ist und in welchem auch viele Erinnerungen stecken, wirst Du immer verbunden bleiben. Es gefällt mir auch, dass Du die Spuren belässt, die das Gerät in der Zeit abbekommen hat und auch jene, die Du in Deiner frühen Jugend dort eingebaut hast. Das Gerät funktioniert ja so und das ich doch die Hauptsache. In Deinem Bericht spürt man förmlich Deine Begeisterung und das wiederum ist sehr schön zu lesen.

    ~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
    Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
    Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht :D

  • Hallo Jupp, hallo Anton!

    Danke für euer Lob! Ja, das Gerät ist etwas ganz besonderes für mich, allein schon weil es aus Familienbesitz ist. Zudem ist es ja eines der ersten, wo ich meine ersten Kenntnisse im Bereich Reparatur unter Beweis stellen musste.

    Wenn ich aus irgendeinem Grund alle Geräte bis auf eines weggeben müsste, würde ich ohne zu zögern den Grundig 2012 behalten. Ich habe zwar reihenweise technisch und optisch interessantere Geräte, wie meine drei Truhen (Nordmende Arabella 56, Grundig 7000 und 7070) oder weitere Tischradios, (meine beiden Loewe-Optas mit Schallwandbeleuchtung, den Grundig 4010...) aber trotzdem ist mir der emotionale Wert immer noch am wichtigsten. Und der ist beim 2012 definitiv am höchsten.

    Freut mich, dass man meine Begeisterung herauslesen kann! Ohne diese wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Sie ist quasi die Triebfeder für das Hobby. :smiley53:

  • Die Arabella habe ich auch und das ist die für mich am besten klingende Musiktruhe von den insg. 6 Stück, die ich habe. Da merkt man das Nordmende Tannhäuser Chassis mit Gegentakt Endstufe. Einfach ein wunderschöner Klang.

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  • ....habe an einer "Arabella" mal eine "Kondensatorkur" ausgeführt und diese auch mal für mehrere Stunden in einem ca. 30°m großem Wohnzimmer angehört und muss festhalten, dass die bislang zu denen gehört, dessen Klang für mich der optimale war, was Musik (Schlager/Pop und Sprache) betrifft

    M.f.G.
    harry


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    Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.
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  • Guten Morgen ihr beiden!

    Ja, die Arabella kann einiges. Wenn (auch gleichaltrige) Freunde zu Besuch kommen, wird sie immer vorgeführt, dann auch mal mit moderner, basslastiger Musik, und deutlich erhöhter Lautstärke. Bisher waren immer alle hochgradig beeindruckt, auch die anfangs skeptischen, ("was soll denn aus so nem alten Teil schon rauskommen!?) was da an Klangfülle rauskam. Besonders der Bass ist brutal, da wackeln die Schellacks im linken Plattenfach hörbar mit! :smiley34:

    Ist auch meine Lieblingstruhe, genau aus dem Grund. Die Grundigs (7000 und 7070) machen zwar auch ordentlich Bumms, haben aber lautstärkemäßig mit jeweils "nur" einer EL84 zwangsläufig nicht ganz so viel Reserve, wie die Arabella.

    Auch der eingebaute Dual 1003 ist wunderschön anzuschauen, wenn die Luxor-Abtastung über die Platte saust...:smiley53:

    Edited 2 times, last by RadioHesse (March 6, 2025 at 12:57 PM).

  • Die Arabella wird relativ häufig zum Kauf angeboten und ich wundere mich immer, dass gerade diese Truhe oft wie Sauerbier stehen bleibt. Klar ist es schwierig, Musikschränke zu verkaufen, wegen der Abmessungen. Aber die Arabella ist gar nicht mal so riesig wie viele, ihrer KollegInnen und auch nicht so heftig schwer. Ich denke einfach, viele kennen den schönen, ausgewogenen Klang der Truhe nicht.

    Ich habe meine Arabella vor sehr vielen Jahren von einer ehemaligen Nachbarin gekauft für 50 DM. Dort stand sie seit Neuanschaffung immer im geheizten Esszimmer. Meine Arabella hat noch die Originalbestückung, kein einziger Kondensator wurde getauscht und dennoch spielt sie bei mir täglich klaglos.

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  • Hallo,

    zumindest nach RM-Angaben leistet deren Gegentakt-Endstufe mit zwei EL 84 stolze 12 Watt Ausgangsleistung, was den Angaben in den Datenblättern entspricht (aber die Verluste im AÜ außer Acht lässt...). Damit konnte man damals Tanzsäle beschallen :P.

    Beste Grüße, Uwe

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