Weiter geht's mit dem Innenleben:

Staubwischen müsste man mal....
Das Radio habe ich bereits in den 90ern erworben, war aber mit seiner Leistung nie zufrieden, so dass es zum Mauerblümchen mutierte. In den letzten Tagen habe ich viel Zeit damit verbracht, das Gerät technisch zu revidieren, bzw. meine früheren Reparaturen (u.a. ein damaliger Umbau zwecks Empfang des früheren MW-Senders Langenberg, 740 kHz) rückgängig zu machen. Erinnerlich ist mir, dass das Radio beim Erwerb bereits mehrfach repariert erschien, wir haben also keinen unberührten Werkszustand mehr vor uns, sondern eine Reparatur zwecks möglichst schaltplangetreuer Herstellung der Funktionsfähigkeit des seltenen Radios.
Irgendwann wird er auch mal innen geputzt, dafür hatte ich gestern keinen Nerv mehr.
Aber schauen wir uns mal die Technik an.
Links im Bild der Selen-Plattengleichrichter, dahinter die Fertigungsnummer des Radios. Ähnlich, wie man das von anderen Einfachstgeräten auch kennt, ist hier alles an der Schallwand montiert. Unter dem Gleichrichter die beiden Netzelkos, früher schon mal ersetzt. Im Original besaßen diese Pappgehäuse, sie werden vom originalen Plastikband in Position gehalten.
Rechts daneben der Vorwiderstand, 1,6 kOhm sind üblich, da er schrottreif war, habe ich hier 1,8 k Ohm verbaut (verdeckt dahinter ein Parallelwiderstand zu 15 kOhm). Damit stellt sich bei heutiger Netzspannung ein Heizstrom an der UEL 51 von 101 - 102 mA ein. Das wird, wie auch im größeren Typ 1 U 11, richtig "warm".
Der grüne Widerstand am Sicherungshalter hat 200 Ohm und ist für die halbautomatische Gitterspannungserzeugung zuständig.
Rechts unten im Bildhintergrund sieht man das Lautstärkepoti mit Ein/Ausschalter, links unten etwas verdeckt vom Sicherungshalter den Rückkopplungsdrehko.
Der Lautsprecher ist tatsächlich ein Freischwinger, sozusagen als Opfer des Preisdumpings:

Klanglich ist man überrascht, wenn man solche Konstruktionen aus den Dreißigern (etwa DKE) kennt. Dieses Konstrukt erzeugt einen richtig schönen Klang !
Wie sehr am Preis und damit am Material gespart wurde, sieht man hier:

Die roten Schrauben halten die Fassung der UEL 51, nebst darunter angebrachten Bauteilen. Sie sind aus Weichkunststoff mit Gewindemaß M4. Gleiches findet man auch an der Spuleneinheit, die dort verbauten beiden grauen M4 - Schrauben sind aus dem gleichen Weichplastik.
Da wir gerade bei den Spulen sind, hier ein Blick auf die beiden MW-Spulen dieses Exemplars:


Die linke, dickere Spule hielt ich jahrelang fälschlich für ein Langwellenexemplar.
Hier sieht man sehr schön, dass die rechte Spule samt zugehörigem Kondensator von 250 pF auf einem eigenen Pertinaxträger sitzt, der unten 2 Druckknöpfe (!) trägt. Ich habe sie hier nicht noch einmal für ein Foto herausgewürgt, denn ich war froh, als ich sie im Zuge der Reparatur wieder drin hatte. Ein Foto dazu kann man hier finden: https://www.radiomuseum.org/r/stern_berl_kolibri.html
Mittels dieser Plug and Play-Lösung konnte das Radio, etwa nach einem Umzug, den Empfangsverhältnissen am neuen Wohnort angepasst werden. Eigentlich ganz clever... aber es wird berichtet, dass das Gerät unbeliebt war:
Radio 'Kolibri RFT'
| Deutsches Kunststoff Museum
Tatsächlich ist gut vorstellbar, dass die Käufer den 1U11 https://www.radiomuseum.org/r/stern_berl_r…_berlin_1u.html vorzogen und dafür lieber etwas länger sparten. Der hatte immerhin eine richtige Skala und damit ein übliches Radiogesicht, freie Senderwahl auf 3 Wellenbereichen und war zudem größer.
Damit möchte ich die Vorstellung beenden. Ich schrieb den Bericht unmittelbar nach der mehrtägigen technischen Instandsetzung des Radios, da die Eindrücke noch frisch waren.
Ich würde mich freuen, wenn Zeitzeugen, die seinerzeit selbst ein solches Gerät besaßen, oder aus dem Verwandtschaftsbereich kannten, hier einige Impressionen darlegen könnten.