20.06.2018, 13:55
Hallo Kollegen,
hier mal etwas ganz anderes. Einige Jahre nach der Wende tauchte hier auf dem Karlsruher Flohmarkt dieses Gerät auf. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt keine anderen Geräte aus DDR Produktion in der Hand hatte als einen "Kolibri" und einen "1U11", war ich natürlich neugierig mal einen DDR Superhet von innen zu sehen und kaufte den Weimar für wenig Geld. Dann stand er 25 Jahre lang unberührt in einer Ecke. Bis letzte Woche - dann war er fällig.
Die Daten:
Hersteller: Stern Radio Sonneberg
Modell: Weimar 4910
Baujahr: 1961
Röhrenbestückung: ECC85 ECH81 EFB89 EABC80 EL84 EZ80
Stromversorgung: 110V, 127V, 220V, 240 Wechselspannung
Wellenbereiche: LW, MW, KW, UKW
Bedienelemente: Vorderseite: links: Lautstärke und Klangregler, rechts: Senderwahl
Gehäuse: Holz
Fabrik Nr. 6 67666
Abmessungen: BHT: 52 x 28 x 22 cm
Gewicht: ca. 12 kg
Das Schaltbild mit gesonderter Stückliste:
Der Weimar 4910 besitzt weder ein Magisches Auge noch eine Ferritantenne, ist aber bereits auf einer gedruckten Schaltung aufgebaut. Im Schaltbild wird eine EM84 gezeigt, die aber nur in der teureren Version eingebaut war. Die restliche Schaltung war bei den verschiedenen Geräteversionen identisch.
Die Schaltung zeigt eigentlich keine Besonderheiten, aber irgendwie frage ich mich, warum man eine EBF89 in Kombination mit einer EABC80 verwendete. Wie man sieht wird nur ein Diodensystem der EBF89 verwendet - als AM-Demodulator - das andere liegt auf Masse. Ebenso liegt auch die 2. Diode des B-Systems der EABC80 auf Masse. Kennt jemand den Grund für diese "Vergeudung" von zwei Diodenstrecken?
So sieht der Weimar aus, nachdem er gründlich geputzt und das Holz mit "CLOU Fernol für helle Möbel" behandelt wurde. Hübsch, oder?
Nun wird der Leser denken, dass es ja wohl nicht weiter schwierig sein kann, so ein einfaches Gerät zu reparieren.
Hier denkt der Leser falsch! Nach dem Einschalten hörte man zunächst auf allen Wellenbereichen nur sehr wenig. Nach wiederholtem Drücken der Wellenbereichstasten, und reinigen der Röhrenstifte mit feinem Schmirgelleinen (sie waren sehr korrodiert) hatte man zwar auf AM Empfang, aber auf UKW nur stark verzerrt. Nach Wechseln des toten Ratio-Elkos (Frolyt 5µF) kaum Verbesserung.
Aha, dachte ich, stimmen wir mal die ZF-Filter mit dem Wobbler nach. Ja, schon, wenn man die Spulenkerne drehen könnte. Bevor ich an irgendwelchen festsitzenden Kernen herumwürge, baue ich immer die ZF-Filter aus und schaue hinein. So sehen sie von innen aus: Links: 1. Filter, rechts: 2. Filter. Gut, dass ich nicht mit Gewalt zu Werke gegangen bin! Wie man im 2. Bild sieht, ist der eigentliche Spulenkörper mit dem anhängenden Gewindeteil nur durch einen relativ dünnen Plastiksteg verbunden (roter Pfeil).
Den bekommt man schon abgeschert, wenn man zu stark am Kern dreht. Also wurden die Kerne ganz vorsichtig hin-und hergedreht, bis sie aus den Spulenkörpern herausfielen. Dann wurden die Kerngewinde mit Vaseline eingefettet und die Kerne liefen wieder butterweich in ihren Gewinden.
Vor dem Wobbeln wurde dann noch für einen ersten Grobabgleich ein 10,7Mhz Träger (Quarzoszillator) auf die ECC85 aufgeblasen. Sowie man die Kerne auch nur entfernt der Resonanzposition näherte, bekann das Gerät zu heulen und zu gluckern.
Aha, fehlende Schirmgitterneutralisation an der EBF89... dachte ich. Also C40 und C41 ausgetauscht (beide 5nF). Es heulte und gluckerte immer noch. Nun habe ich die Tastenkontakte doch einmal sehr gründlich mit Kontakt 600 Tunerspray gereinigt... und siehe da: es hatte sich ausgeheult, und man konnte mit dem Wobbler eine vernünftige ZF - Durchlasskurve und Demodulator-S-Kurve einstellen.
Danach noch ein paar lecke Rollenkondensatoren getauscht und die Arbeit war fast fertig. Beim Tauschen der Rollenkondensatoren am Lautstärkeregler fiel mir auf, dass eine der Hohlnieten, die die Widerstandsbahn halten, ihr Köpfchen verloren hatte (irgendwie verfolgen mich diese Hohlnieten). Habe ich gerade noch rechtzeitig bemerkt. Wenn man hier beim Tauschen der Kondensatoren zu ungestüm vorgeht, bricht man das Ende der Widerstandsbahn ab. Auch am Klangregler war so eine defekten Hohlniete. Da ich keine Lust hatte das Doppelpoti auszubauen, und wieder alles mit kleinen Schräubchen zu reparieren, habe ich die Enden der Widerstandsbahn mit Sekundenkleber fixiert. Funktioniert prima!
Ein Fehler, der mich einige Zeit beschäftigt hat, war der Ausschalter. Man konnte ihn zwar drücken, aber die Wellenbereichstasten sprangen nicht heraus. Als auch sorfältiges Fetten des ganzen Gestänges nichts fruchtete, habe ich bemerkt, dass das Gestänge des AUS-Schalters einen kleinen Hebel hat, der die Sperrwippe beim Ausschalten etwas anheben soll. Dieser Hebel war etwas zur Seite gebogen, wodurch die Wippe nicht mehr genug angehoben wurde und die Tasten nicht mehr in ihre Ruheposition zurückspringen konnten. Der Hebel wurde mit einer schlanken Flachzange, die gerade so durch das Gestänge passte, zurückgebogen, und die AUS-Taste verrichtete wieder ihren Dienst.
Die Röhrenprüfung ergab, dass die meisten Röhren noch ausreichende Emission hatten - nur die ECC85 lag bei dünnen 50%. Nun sollte man sich hüten, diese Röhre gegen irgendeine andere zu tauschen! Wenn man Pech hat, wandert die UKW-Abstimmung von diesem Tag an schlimmer als zuvor! Ich hatte ja mal vor einiger Zeit etwas über die Tunerdrift geschrieben und wie man sie in manchen Fällen beheben kann: Tausch der ECC85 gegen ein anderes Fabrikat oder Austausch der frequenzbestimmenden Kondensatoren im UKW- Oszillator gegen solche mit passenderem Temperaturkoeffizienten.
https://radio-bastler.de/forum/showthread.php?tid=1682
https://radio-bastler.de/forum/showthread.php?tid=2637
Letzteres setzt aber voraus, dass die betreffenden Komponenten zugänglich sind, ohne dass man mehr Schaden anrichtet als die Sache wert ist. Natürlich hat mich die Neugierde nicht ruhen lassen, und ich habe das UKW-Kästchen geöffnet. Da geht es so eng zu wie in einer Sardinendose! Also hier etwas umzubauen, spare ich mir lieber!
Frank hatte mir zum vorletzten Sammlertreffen (Königswusterhausen) mal ein paar ECC85 aus DDR-Produktion mitgebracht. Die werde ich mal ausmessen und versuchsweise im Weimar einsetzen.
Das war's! Da das Gerät nicht so recht in meine Sammlung passen will, bringe ich es mit zum Sammlertreffen bei Dietmar. Vielleicht findet sich ja jemand, der es haben möchte. Kann ich ja auch nochmal in dem entsprechenden Thread anbieten.
hier mal etwas ganz anderes. Einige Jahre nach der Wende tauchte hier auf dem Karlsruher Flohmarkt dieses Gerät auf. Da ich bis zu diesem Zeitpunkt keine anderen Geräte aus DDR Produktion in der Hand hatte als einen "Kolibri" und einen "1U11", war ich natürlich neugierig mal einen DDR Superhet von innen zu sehen und kaufte den Weimar für wenig Geld. Dann stand er 25 Jahre lang unberührt in einer Ecke. Bis letzte Woche - dann war er fällig.
Die Daten:
Hersteller: Stern Radio Sonneberg
Modell: Weimar 4910
Baujahr: 1961
Röhrenbestückung: ECC85 ECH81 EFB89 EABC80 EL84 EZ80
Stromversorgung: 110V, 127V, 220V, 240 Wechselspannung
Wellenbereiche: LW, MW, KW, UKW
Bedienelemente: Vorderseite: links: Lautstärke und Klangregler, rechts: Senderwahl
Gehäuse: Holz
Fabrik Nr. 6 67666
Abmessungen: BHT: 52 x 28 x 22 cm
Gewicht: ca. 12 kg
Das Schaltbild mit gesonderter Stückliste:
Der Weimar 4910 besitzt weder ein Magisches Auge noch eine Ferritantenne, ist aber bereits auf einer gedruckten Schaltung aufgebaut. Im Schaltbild wird eine EM84 gezeigt, die aber nur in der teureren Version eingebaut war. Die restliche Schaltung war bei den verschiedenen Geräteversionen identisch.
Die Schaltung zeigt eigentlich keine Besonderheiten, aber irgendwie frage ich mich, warum man eine EBF89 in Kombination mit einer EABC80 verwendete. Wie man sieht wird nur ein Diodensystem der EBF89 verwendet - als AM-Demodulator - das andere liegt auf Masse. Ebenso liegt auch die 2. Diode des B-Systems der EABC80 auf Masse. Kennt jemand den Grund für diese "Vergeudung" von zwei Diodenstrecken?
So sieht der Weimar aus, nachdem er gründlich geputzt und das Holz mit "CLOU Fernol für helle Möbel" behandelt wurde. Hübsch, oder?
Nun wird der Leser denken, dass es ja wohl nicht weiter schwierig sein kann, so ein einfaches Gerät zu reparieren.
Hier denkt der Leser falsch! Nach dem Einschalten hörte man zunächst auf allen Wellenbereichen nur sehr wenig. Nach wiederholtem Drücken der Wellenbereichstasten, und reinigen der Röhrenstifte mit feinem Schmirgelleinen (sie waren sehr korrodiert) hatte man zwar auf AM Empfang, aber auf UKW nur stark verzerrt. Nach Wechseln des toten Ratio-Elkos (Frolyt 5µF) kaum Verbesserung.
Aha, dachte ich, stimmen wir mal die ZF-Filter mit dem Wobbler nach. Ja, schon, wenn man die Spulenkerne drehen könnte. Bevor ich an irgendwelchen festsitzenden Kernen herumwürge, baue ich immer die ZF-Filter aus und schaue hinein. So sehen sie von innen aus: Links: 1. Filter, rechts: 2. Filter. Gut, dass ich nicht mit Gewalt zu Werke gegangen bin! Wie man im 2. Bild sieht, ist der eigentliche Spulenkörper mit dem anhängenden Gewindeteil nur durch einen relativ dünnen Plastiksteg verbunden (roter Pfeil).
Den bekommt man schon abgeschert, wenn man zu stark am Kern dreht. Also wurden die Kerne ganz vorsichtig hin-und hergedreht, bis sie aus den Spulenkörpern herausfielen. Dann wurden die Kerngewinde mit Vaseline eingefettet und die Kerne liefen wieder butterweich in ihren Gewinden.
Vor dem Wobbeln wurde dann noch für einen ersten Grobabgleich ein 10,7Mhz Träger (Quarzoszillator) auf die ECC85 aufgeblasen. Sowie man die Kerne auch nur entfernt der Resonanzposition näherte, bekann das Gerät zu heulen und zu gluckern.
Aha, fehlende Schirmgitterneutralisation an der EBF89... dachte ich. Also C40 und C41 ausgetauscht (beide 5nF). Es heulte und gluckerte immer noch. Nun habe ich die Tastenkontakte doch einmal sehr gründlich mit Kontakt 600 Tunerspray gereinigt... und siehe da: es hatte sich ausgeheult, und man konnte mit dem Wobbler eine vernünftige ZF - Durchlasskurve und Demodulator-S-Kurve einstellen.
Danach noch ein paar lecke Rollenkondensatoren getauscht und die Arbeit war fast fertig. Beim Tauschen der Rollenkondensatoren am Lautstärkeregler fiel mir auf, dass eine der Hohlnieten, die die Widerstandsbahn halten, ihr Köpfchen verloren hatte (irgendwie verfolgen mich diese Hohlnieten). Habe ich gerade noch rechtzeitig bemerkt. Wenn man hier beim Tauschen der Kondensatoren zu ungestüm vorgeht, bricht man das Ende der Widerstandsbahn ab. Auch am Klangregler war so eine defekten Hohlniete. Da ich keine Lust hatte das Doppelpoti auszubauen, und wieder alles mit kleinen Schräubchen zu reparieren, habe ich die Enden der Widerstandsbahn mit Sekundenkleber fixiert. Funktioniert prima!
Ein Fehler, der mich einige Zeit beschäftigt hat, war der Ausschalter. Man konnte ihn zwar drücken, aber die Wellenbereichstasten sprangen nicht heraus. Als auch sorfältiges Fetten des ganzen Gestänges nichts fruchtete, habe ich bemerkt, dass das Gestänge des AUS-Schalters einen kleinen Hebel hat, der die Sperrwippe beim Ausschalten etwas anheben soll. Dieser Hebel war etwas zur Seite gebogen, wodurch die Wippe nicht mehr genug angehoben wurde und die Tasten nicht mehr in ihre Ruheposition zurückspringen konnten. Der Hebel wurde mit einer schlanken Flachzange, die gerade so durch das Gestänge passte, zurückgebogen, und die AUS-Taste verrichtete wieder ihren Dienst.
Die Röhrenprüfung ergab, dass die meisten Röhren noch ausreichende Emission hatten - nur die ECC85 lag bei dünnen 50%. Nun sollte man sich hüten, diese Röhre gegen irgendeine andere zu tauschen! Wenn man Pech hat, wandert die UKW-Abstimmung von diesem Tag an schlimmer als zuvor! Ich hatte ja mal vor einiger Zeit etwas über die Tunerdrift geschrieben und wie man sie in manchen Fällen beheben kann: Tausch der ECC85 gegen ein anderes Fabrikat oder Austausch der frequenzbestimmenden Kondensatoren im UKW- Oszillator gegen solche mit passenderem Temperaturkoeffizienten.
https://radio-bastler.de/forum/showthread.php?tid=1682
https://radio-bastler.de/forum/showthread.php?tid=2637
Letzteres setzt aber voraus, dass die betreffenden Komponenten zugänglich sind, ohne dass man mehr Schaden anrichtet als die Sache wert ist. Natürlich hat mich die Neugierde nicht ruhen lassen, und ich habe das UKW-Kästchen geöffnet. Da geht es so eng zu wie in einer Sardinendose! Also hier etwas umzubauen, spare ich mir lieber!
Frank hatte mir zum vorletzten Sammlertreffen (Königswusterhausen) mal ein paar ECC85 aus DDR-Produktion mitgebracht. Die werde ich mal ausmessen und versuchsweise im Weimar einsetzen.
Das war's! Da das Gerät nicht so recht in meine Sammlung passen will, bringe ich es mit zum Sammlertreffen bei Dietmar. Vielleicht findet sich ja jemand, der es haben möchte. Kann ich ja auch nochmal in dem entsprechenden Thread anbieten.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
Harald