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Rema Trabant T6 [2xKM], der Vergessene
#1
Daß ich bereits nach zwei Monaten mit meinem neuen Hobby Radiobasteln eine derart interessante Geschichte erleben würde, hatte ich nicht geahnt.

Es begann damit, daß ich in der Bucht einen kleinen, bescheiden aussehenden Kofferradio "Trabant T6" der ehemaligen DDR-Firma Rema, Stollberg/Erzg. entdeckte. Er sah einigermaßen normal erhalten aus und vermutlich war sogar mir als Neuling eine Restaurierung möglich. Ich hatte Glück und bekam den Zuschlag. Nach einer Woche stand er vor mir.

       

Sowohl äußerer, als auch innerer optischer Zustand waren annehmbar. Dann klemmte ich ihn an ein Netzgerät an, gab 12 V frei, drückte die Mittelwelletaste und siehe da, es rauscht und nach einigem Suchen bekomme ich einen französischen Sender. Bei den Kurzwellenbändern kommen auch Signale, die auf Sender schließen lassen. Die Teleskopantenne ist zwar schwergängig, aber er reagiert darauf. Ein Hauch Öl löst die Schwergängigkeit.

Natürlich bin ich überrascht über den rel. guten Zustand und ich entschließe mich, das Radio 'chen zu restaurieren.

Das ganze Innenleben muß raus, weil der Lausprechergrill stark eingedrückt ist und der Schallwandstoff eingerissen ist. Bereits bei der Demontage gibt es Momente zum Staunen und zum Schmunzeln. Da findet man eine Skala aus Papier, angenagelte Pappestreifen als Trennwände und vergessene Nägel am Lautsprechermagnet. Nachfolgend einige Bilder von der Demontage.

       

       

   

Da der Lautsprecherstoff an ungünstiger Stelle gerissen und dazu beim Waschen noch eingelaufen ist, suche ich jemand, der mir ein Stück Stoff überlassen kann. Jetzt staune ich zum zweiten Mal über die Kameradschaft in diesem Forum, die wirklich vorbildlich ist. Schneller als ich danach fragen kann bietet mir ein Forumsmitglied an, nachzusehen, ob sein Fundus derartiges beinhaltet. Drei Tage später habe ich ihn auf dem Tisch, er passt. Der Neuaufbau kann beginnen.

Auf der Suche nach Stromlaufplänen und Serviceunterlagen stieß ich auf das Radiomuseum Luzern RMorg. Dort fand ich die Unterlagen, jedoch unterschied sich der T6 dort wesentlich von meinem Gerät. Der Trabant T6 hat Tasten für Kurz-, Mittel- und Langwelle. Mein Trabant hat Mittelwelle und zwei Kurzwellenbänder; Langwelle hat er nicht. Außerdem hat er auf dem Ferritstab nur die AM-Spule.

Meine Frage dort im Forum ergab, daß mein Trabant T6 eine Variante des normalen T6 ist, bei dem anstelle Langwelle die Kurzwellenbänder gespreizt sind und der als selten angesehen wird. Die Administration dort verpasste meinem Trabant die Bezeichnung "Rema Trabant T6 [2xKM]" und nahm ihn als neues Modell auf.

Der Trabant T6 [2xKM] kann nun im RMorg eingesehen werden.

Einige Tage später erhielt ich eine email von einem Sammler aus Berlin Pankow, der mir schrieb, daß er auch einen "Kurzwellen-Trabant" hat, zeigte mir davon Bilder. Das war der entgültige Beweis für mich, daß die Variante tatsächlich von Rema hergestellt wurde. Auf meine Frage nach der Entstehung der Variante erzählte er, daß wohl ungefähr 1960 auf der Leipziger Messe ein arabischer Scheich diese Kurzwellenversion bei Rema geordert und aber später nicht abgenommen hätte. Die gebauten Geräte seien dann "verramscht" worden.

Und nun zählt der "Ramsch" zu begehrten Seltenheiten.

Mit diesem Wissen war ich natürlich jetzt noch mehr in der Pflicht, die Restaurierung besonders schonend durchzuführen.

Nachfolgend einige Bilder über den unvermeidbaren Austausch des Schallwandstoffs.

Zuerst wurde eine Papierschablone geschnippelt und die Konturen auf den aufgespannten Stoff übertragen

   

Danach wird die Schnittlinie mit Ponal eingepinselt um anschließend saubere Schnittkanten zu bekommen (alter Schneidertrick, die verwenden Nagellack)

   

Das fertige Stoffstück

   

Gehäuse mit dem gespannten und eingeklebten Schallwandstoff

   

Die anderen Arbeiten kennt Ihr sicher noch besser als ich, säubern, ausbessern, nachlöten usw. Glücklicher Weise war der Kunstlederbezug noch brauchbar, sonst wäre es wesentlich mehr Arbeit geworden.

Abschließend Bilder des fertig restaurierten "Trabant T6 [2xKM]"

       

       

       

       

Das letzte Bild hat mich erst zum Schmunzeln gebracht, dann aber habe ich diese Lösung für eine Batteriekontrolle als hervorragende Idee eines Entwicklers verbucht. Für solche praxisbezogenen und wirtschaftlichen Lösungen habe wir früher in wertanalytischen Sitzungen diskutiert.

   

   

Damit ist der Vergessene wieder in der Gegenwart angekommen.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#2
Klasse, da hast du wirklich was besonderes in die Hand bekommen. Das Baujahr kannst du auch nun etwa einschätzen. Der LP hat den Stempel 5.5.1962, das Gehäuse dann 15.August 1962, also wurde das Radio im Jahr 1962 hergestellt. Die Kondensatoren dürften auch mit Monat und Jahr gestempelt sein.
Ich mache mir immer kleine Kärtchen mit den Daten und lege sie unter das Radio. wenn du mal mehrere Geräte hast vergißt man das immer Smiley53. Und wenn du da nun nicht aufpasst hast du im Nu viele Geräte da und merkst es einfach nicht.Smiley20
Habe immer soviel Arbeit, dass ich mir eine aussuchen kann. Smile

Grüße Frank, der Moschti
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#3
danke Frank, das ist eine gute Idee, Merkzettel bei den Radios zu deponieren. Ich habe das zum ersten Mal bei dem Transita meiner Frau festgestellt, da war ein ganzer Restaurierungsbericht im Gerät deponiert. Das fand ich prima und ähnlich werde ich es jetzt auch machen. Entweder man vergisst oder der Nachbesitzer hat was davon.

Ich bin zwar noch ganz am Anfang, aber, wer weiß ...?

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#4
Sehr schoener und interessanter Bericht.

Hallo die Runde.

Es muesste jetzt noch geklaert werden, warum der bewuste Scheich darauf Wert legte, dass dieses doch extra fuer ihn entwickelte, oder besser gebaute, Radio die Beschriftung der Tasten in deutsch haben wollte. Weil als deutsches Modell, soll es ja nicht existiert haben, wird gesagt.
Hat man etwa die Tatsen zum Veramschen noch getauscht?

Aber vielleicht hat er ja in „D“ studiert und wusste nicht wie man „Aus“ „Mittel“ „Kurz II“ und „Kurz I“ aus arabisch schreibt.

mike
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#5
Sehr informativ und gut gemacht, Dein Bericht! Die Geschichte mit dem Scheich ist natürlich das Tüpfelchen auf dem "i". Sowas hat man als Sammler immer gerne. Somit ist nun wieder ein bisher unbekanntes Gerät beleuchtet worden und ist als Modell zum Nachschlagen bekannt gemacht.

Ich habe das Bild mit der Testmöglichkeit für die Batterie noch als Ausschnitt vergrößert. So kann man den zugehörigen Text im Bild besser lesen.
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#6
Hallo Wilhelm, ich freue mich mit dir über dein schönes Kofferradio. Thumbs_up
Ja, es ist auch eine schöne Episode, das mit dem Scheich. Vielleicht hat er sie nicht genommen WEIL deutsche, lateinische Schrift drauf war.

Ich erinnere mich noch, als der Volksempfänger meines Großvaters sein Leben aushauchte - Anfang der 60er Jahre - kaufte er in Augustusburg einen neuen Empfänger. Der war noch ohne UKW. Stolz verkündete er, der Verkäufer hätte ihm erklärt, dieses Radio wäre für den Export in den "Westen" bestimmt gewesen, aber wegen einer hellen Stelle im Furnier des Gehäuses (die ich nie gefunden habe) wieder zurück gekommen.
Somit entstand für dieses Gerät die Legende, das ist ein "Radio für den Westen". Smiley14
Es ging auch nie kaputt ...

Man lernt nie aus!  Smiley47 

Freundliche Grüße von Heiner.
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#7
Nun aber die Geschichte ist ja ganz gut, jedoch muß ich hier kurz nachhaken.
Der Ilmenau 210 hat auch 2xKurzwelle. die Tasten sehen verdammt ähnlich aus.
Das war aber nicht unbedingt für den Export gebaut worden.
Vielleicht ein bisschen weit jetzt ausgeholt, aber ist sehr interessant.
Hier das Bild vom Tastensatz des Ilmenau 210.

   
Habe immer soviel Arbeit, dass ich mir eine aussuchen kann. Smile

Grüße Frank, der Moschti
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#8
Vielen Dank für Eure freundlichen Kommentare. Ob die Geschichte mit dem Scheich wahr ist oder ob sie nur erfunden wurde, weiß ich leider nicht. Sie stammt nicht von mir, ich fand sie aber so nett und so identisch, daß ich sie hier niedergeschrieben habe.

Andererseits, wenn Stern mit dem Ilmenau 210 einen Kleinempfänger mit zwei Kurzwellenbereichen angeboten hat, warum sollte Rema das nicht tun. Irgendwo habe ich gelesen, daß Rema und Stern zusammen gearbeitet haben. Da kann man auch mal die Tasten vom Andern verwenden. Ein Indiz dafür wäre sogar, daß bei beiden bekannten Trabant T6 [2xKM] die Gravur der KurzII-Taste farblos war. Wenn die Taste von Rot (wie beim Ilmenau) in Schwarz (wie beim Trabant) umgefärbt wurde, kann die schwarze Farbe nicht mehr so gut haften. Das ist nur eine Theorie von mir.

Man bräuchte jetzt einen Angestellten von Rema, der darüber etwas weiß.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#9
Hallo,
ich habe noch einen Scan von der Skala, den ich Euch noch zeigen wollte

   

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
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von Fallersleben
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#10
Hallo Wilhelm,

in der Bucht wird gerade dieser Trabant T6 mit MW und 2x KW angeboten.

http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?View...ink:top:de

Herzliche Grüße
Robert
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#11
Danke Robert, das wird ja richtig interessant. Entsprechend der
gedruckten Schaltung und der Gerätenummer ist der aus einem
späteren Fertigungszeitraum. Das würde auch bedeuten, daß diese
Kurzwellenversion in größeren Stückzahlen gebaut worden ist.

Nach der Veröffentlichung kommt Bewegung in die Angelegenheit.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#12
Hallo Wilhelm

Ich bin auch stolzer Besitzer eines Trabant mit 2x Kurzwelle. Leider sieht meiner am Tastensatz schon ein wenig "abgenuckelt" aus


Angehängte Dateien Thumbnail(s)
   
Die Deutsche Sprache ist FREEWARE, du darfst sie ohne Einschränkungen verwenden.
Die Deutsche Sprache ist nicht OPENSOURCE, du darfst sie nicht nach deinem Gutdünken verändern!
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#13
Glückwunsch zu dem nicht alltäglichen Radio.

Ein paar Fotos vom Innenleben wären interessant. Dann
könnte man etwas über das Alter sagen, was sicher auch
für Dich wissenswert wäre.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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