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Backofenumbau auf PID-Temperaturregelung
#1
Warnhinweis/Disclaimer
Der Umbau, den ich hier zeige, poste ich rein zu informativen Zwecken. Er ist auf keinen Fall als Anregung zum Nachmachen zu sehen! Man müsste dafür mit Netzspannung arbeiten, und das bei einem Gerät, das im Fehlerfall sehr hohe Hitze entwickeln kann. Ein solcher Umbau ist sehr gefährlich und die Vorstellung dient daher lediglich als Machbarkeitsdemonstration. Wenn überhaupt, dann wäre so etwas ausschließlich durch einen Fachmann durchzuführen, der die dafür die nötige Fachkunde besitzt und sicher noch mehr Maßnahmen ergreift, die hier nicht erwähnt werden.

Kurz: Auf keinen Fall nachmachen! Und wer sich doch zu einem solchen oder ähnlichen Umbau inspirieren lässt, tut dies auf eine Verantwortung.


So, jetzt aber ohne Umschweife endlich zur Vorstellung dieses netten, kleinen Projekts.

Motivation
Ich habe immer öfter mal den Anwendungsfall, dass ich eine hohe und möglichst konstante Temperatur brauche. Sei es nun zum Trocknen von Silikagel (maximal 120°C) oder zum Nachhärten von PU-Kautschuk (65°C) bei der Produktion von Reibrädern. Der Backofen in der Küche ist dafür nicht das ideale Gerät - einerseits weil das auf den Haussegen drückt und andererseits, weil da viele der Stoffe nichts drin verloren haben. Um hier dauerhaft Abhilfe zu schaffen habe ich mich umgesehen, wie ich günstig zu einem solchen Ofen für meine Bastelaktivitäten kommen kann.

Ausgangspunkt
Begonnen hat alles mit einem billigen Mini-Backofen. Meine Wahl fiel auf den ICQN 42, weil der von Haus aus auch auf sehr niedrige Temperaturen eingestellt werden kann und weil der neben Ober- und Unterhitze auch noch Umluft hat, was der gleichmäßigeren Temperaturverteilung zuträglich sein sollte.

Gleich mal vorweg: Dieser Backofen an sich ist eine Katastrophe! Die Verarbeitungsqualität des dünnen Blechs ist unter aller Kanone - wie man an diversen Rezensionen sehen kann ist das serienmäßig so. Da braucht man gar nicht anfangen, von Spaltmaßen zu reden, man muss schon Glück haben, dass das eine Blech an der richtigen Stelle ins andere Blech greift. Ein bisschen kann man das geradebiegen und dann für so ein Projekt wie meines getrost drüber weg sehen. Was mich aber immer noch schockiert ist dass die Rückwand gar nicht erst isoliert ist: Hinten hat er also nur ein einziges Blech, das gleichzeitig Geräterückwand und Backofen-Innenraum-Rückwand darstellt. Dass so etwas überhaupt verkauft werden darf, ist mir ein Rätsel... Das einzige womit der Ofen glänzt ist eine sehr gute Umbaufreudigkeit: Nach Abnehmen des Gehäuseoberteils kommt man perfekt an alles ran.

Das eingebaute Thermostat ist natürlich nicht zu gebrauchen: Man muss mit etwa 40 °C Schwankungsbandbreite rechnen. Beim Aufheizen auf z.B. 50° erhält man kurzzeitig einen Überschwinger auf 80°, und erst bei 40° heizt er wieder nach. Das hatte ich fast schon so erwartet und mir war schon klar, dass ich da nachbessern muss.

Der Umbau
Das Thermostat und sämtliche sonstigen Bedienelemente des Ofens habe ich kurzerhand entfernt. Eingebaut habe ich stattdessen einen allpoligen Netzschalter und einen handelsüblichen PID-Regler vom Typ REX-C100. Dieser ist zum Beispiel beim großen A für ca. 20 EUR zu bekommen. Das Set beinhaltet dabei auch gleich den Thermofühler und ein Solid-State-Relais - perfekt.

Die Integration des Reglers und des Schalters in die Frontplatte erforderte den Einsatz eines Dremels mit Trennscheibe. So sieht das dann zunächst von vorne aus:

.jpg   mod_front.jpg (Größe: 67,13 KB / Downloads: 319)

Und hier von der Seite:

.jpg   mod_side.jpg (Größe: 141,73 KB / Downloads: 319)


Hier sieht man unten auch das Solid-State-Relais, das sich einfach an den Lüftungsschlitzen festschrauben ließ. Und natürlich die Verkabelung, die sich recht einfach ergibt: Hinter dem Netzschalter sind die Lampe, der Lüfter und der PID-Regler dauerhaft bestromt. Die Heizelemente oben und unten sind über das SSR geschaltet, welches vom PID-Regler angesteuert wird. Der Thermofühler ist oben an einem der Löcher am Backraum befestigt, an dem vorher der Original-Fühler montiert war. Ich musste das Loch leicht aufbohren und auch noch eine zöllige Mutter 1/4" UNC 20 ("Kameragewinde") besorgen, um den Sensor aus dem PID-Set festzuschrauben.

Feinschliff
Damit das Gerät nicht allzusehr nach Baustelle aussieht, habe ich für die Front zwei Teile designt und 3D-gedruckt. So sieht das dann aus:
   

Mit dem blauen Multimeter messe ich hier die tatsächliche Temperatur in der Innenraummitte. Der PID-Regler funktioniert bereits direkt im Auslieferungszustand besser als das Original-Thermostat. Noch besser wird es aber, wenn man ihn sich per "Auto-Tuning" an die Gegebenheiten anpassen lässt. Er ermittelt dann bessere P-, I- und D-Werte und regelt viel sauberer mit weniger Überschwinger.

Das Ergebnis
So sieht die Temperkurve des umgebauten Backofens aus, wenn man von Zimmertemperatur aus auf 65 Grad hochheizen lässt:
   

Der Überschwinger am Anfang ist kaum der Rede wert. Ab der 75ten Minute schwankt die Temperatur um weniger als 1,5°C um einen konstanten Wert. Der hat hier noch einen Offset von 9°C zum eingestellten Soll-Wert. Das liegt an der ungleichen Temperaturverteilung im Backofen. Theoretisch könnte man diesen Offset sogar am PID-Regler einstellen. Das ist aber vermutlich nicht sinnvoll, denn der Offset wird bei höherer Soll-Temperatur auch größer sein. Wenn man es ganz präzise will, muss man sich also entweder eine Tabelle machen mit Soll-Werten für den jeweiligen Anwendungszweck, oder man müsste den Temperaturfühler direkt an dem zu heizenden Objekt befestigen. Ich kann erstmal mit dem Ansatz mit einer Tabelle gut leben.

Wem die Aufheizzeit zu lange dauert, der kann auch manuell an den Parametern für den Regler drehen und zum Beispiel einen größeren Überschwinger in Kauf nehmen. Für meine Zwecke ist das aber nicht relevant, denn ich habe da genug Vorlaufzeit und bin bei den Anwendungsfällen nicht in Eile.

Fazit
Ich hätte nicht gedacht, dass ich mit so wenig Aufwand zu einem so guten Ergebnis kommen würde. Die Temperaturkonstanz ist schon fast gespenstisch gut. Der PID-Regler ist wirklich der Hit und ich werden ihn bald auch noch für weitere Projekte einsetzen. Fürs Tempern und Trocknen habe ich jetzt endlich eine gute Lösung und der Haussegen ist hier nicht mehr in Gefahr. Das einzige Problem das ich noch sehe ist der Einbau des Ofens in einen Schrank o.ä.: Dafür muss man zwingend Glaswolle o.ä. vorsehen, sonst fackelt man sich früher oder später das Haus ab. Würde ich das Projekt nochmal durchführen, so würde ich also eher versuchen gebraucht an ein Markengerät heranzukommen - in der Hoffnung dort bessere Voraussetzungen vorzufinden.

Schöne Grüße
Markus

PS: Nicht nachmachen!
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#2
Super gemacht und super Resultat Smiley14
M.f.G.
harry


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Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.
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#3
Ups....das kam doppelt, warum auch immer ?
M.f.G.
harry


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Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.
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#4
Hallo, Markus,
ganz klasse, was Du uns da vorgestellt hast.
Das beweist auch, dass mit elektronischen Reglern fast alle Probleme, soweit die Leistung das zulässt, gelöst werden können. Ich hatte das vor kurzem mit einem Laborofen auch gemacht (geht bis 550 Grad). Alles richtig ... raus mit dem alten Bimetallplunder oder was da noch so für Mechanozeugs findet. Leistungsstromkreis natürlich mit SSR, so wie Du, hab ichs auch gemacht. ZeroCoss Logo!
Auch Deine Dokumentation der Regelcharakteristik hat mir sehr gefallen.
Deine Warnungen zur elektrischen Spannung sind gutgemeint, jedoch brauchst Du Dich dafür nicht fast entschuldigend zu rechtfertigen, denn hier im Forum restaurieren Mitglieder Allstromradios (das sind sicherheitstechnische WAFFEN) erfolgreich.
Ich vermute daher, alle richten sich danach ...
Viele Grüsse, Micha

Ich wohne am deutschen Elbkilometer 358 westelbisch ... und genieße die Natur ... die Röhrentechnik zeigt, dass sich der Strom nur von Minus nach Plus bewegt ... und damit die echte technische Stromrichtung erkennbar macht ... dem Praktiker sind jedoch die irren Halbleiterstrompfeile egal








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#5
Hallo Markus,


saubere Revision, die auch ein reproduzierbares Resultat liefern.

Schönes Projekt.

Das P. I. D. Verhalten hat uns im Studium der Kybernetikdozent mit dem Tricher eingefüllt.

Kann ich heute noch beten... Smiley14
Gruß aus dem Kreis Siegburg vom Hans-Jürgen
"Groß ist ein Mann, wenn er Kind bleibt"

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#6
Für das Tempern kleinerer Teile habe ich mir noch einen plangefrästen Alu-Block besorgt, der als planes "Backblech" dient und durch seine Masse und gute Wärmeleitfähigkeit auch noch besser für eine konstante Temperatur bei den zu behandelnden Objekten sorgt:
   

Durch eine Bohrung mit eingeschnittenem 1/4-Zoll-Gewinde habe ich einen weiteren Temperatursensor daran festgeschraubt, so dass ich die exakte Temperatur durch ein weiteres Messgerät überwachen kann. Das dient natürlich lediglich der Kontrolle:
   

Das funktioniert so alles bestens. Nur an den PID-Werte werde ich jetzt dann doch nochmal drehen, denn mit mehr thermischer Masse dauert das Aufheizen mit den bisherigen Werten wirklich sehr lange. Ein bisschen mehr übersteuern darf der Ofen beim Aufheizen dann doch.

Schöne Grüße
Markus
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#7
Gut gedacht und gut gemacht! Thumbs_up
Gruß,
Ivan
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