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Das Staßfurter "Graf Luckner Radio"
#1
Ende 1924 begann in den Staßfurter Licht- und Kraft- Werken die Fertigung der 3, 4 und 5-Röhren Radios der K-Serie.
Dies waren schwarz lackierte Steilpultgehäuse mit einer Frontplatte aus Ebonit (Hartgummi), die gleichzeitig als Chassis für die Montage aller Bauteile diente.
K3 und K4 waren Einkreis Geradeausempfänger bestehend aus Audion und 1 bzw. 2 R/C gekoppelten NF-Stufen, der K5 bekam noch eine HF-Vorstufe.

   

Die Drehkondensatoren waren Staßfurter Eigenentwicklungen und wurden in der kleinen machanischen Werkstatt hergestellt.

   

Fotos aus dem Archiv des RFT-Vereins

Dieser Drehko hatte bereits eine logarithmische Kennlinie, wodurch wiederum ein linearer Bezug der Skaleneinteilung zur empfangenen Wellenlänge entstand.
Zur Feinabstimmung wurden durch eine dünne Achse in der Hohlwelle zwei kleinere Rotorplatten bewegt.

   

Rotor- und Stator- Plattenschnitt


.jpg   Rotorplatte.jpg (Größe: 21,52 KB / Downloads: 584)
.jpg   Statorplatte.jpg (Größe: 16,94 KB / Downloads: 583)

Zusätzlich zum Fertigungsprogramm gab es vom 5-Röhren Gerät eine Luxusausführung, den T5 in verschließbarem Eichengehäuse und mit einem Messinstrument zur Kontrolle der Heiz- und Anodenspannungen. Das "T" steht für Truhe.

       

Diese Geräteserie wurde bis etwa 1927 produziert und erhielt dann den ebenfalls in Staßfurt entwickelten Drehkondensator D27 mit verbesserter Kennlinie und mechanischer Feinabstimmung durch ein, in der Hohlwelle befindliches Planetengetriebe.

   

Hier der restaurierte T5 aus meiner Sammlung. Das Foto stammt aus dem Staßfurter Rundfunk- und Fernsehmuseum, wo es einige Zeit ausgestellt war.

   

Bevor ich einige Details zur Restaurierung beschreibe, möchte ich erst einmal schildern, was es mit dem "Graf Luckner Radio" auf sich hat.

Wer war Felix Graf von Luckner? Hier nur ein kurzer Abriss, weitere Informationen sind im Wikipedia zu finden.
Er wurde 1881 in Dresden geboren. Im Alter von 13 Jahren suchte er das Abenteuer auf See. Zu Ruhm gelangte von Luckner, als er als Kapitänleutnant und Kommandant des Hilfskreuzers Seeadler, eines Segelschiffes mit Zusatzmotor, die britische Seeblockade durchbrach. [Wikipedia]
Nach dem Krieg betätigte er sich als Schriftsteller und unternahm mit seinem Segelschiff "Vaterland" weltweite Vortragsreisen auf denen er auch mit einer Musterschau deutsche Waren präsentierte.
Zu eben diesem Zweck der internationalen Werbung überreichten ihm die Staßfurter ein Radio vom Typ T5.


.jpg   Postkarte.jpg (Größe: 113,37 KB / Downloads: 582)

Von da an war dieses Gerät für die Staßfurter das "Graf Luckner Radio"

Im weiteren Leben und Wirken des Felix Graf von Luckner gibt es noch Positives und auch Negatives zu berichten. Für den interessierten Leser verweise ich nochmals auf Wikipedia.

Nun zu Restaurierung des T5.

Das Gerät habe ich vor etwa 20 Jahren von einem Antik-Händler erworben, der es nach eigener Aussage aus dem Magdeburger Umland bekommen hat. Weitere Infos zur Herkunft gibt es leider nicht. Das Gerät war technisch in hervorragendem Zustand und musste lediglich gereinigt, zwei Widerstände gewechselt und mit den richtigen Röhren bestückt werden.

       

Das Radio, Baujahr 1927 (mit D27 Drehkos ausgestattet) ist voll funktionstüchtig und mit einer 10 Meter Langdrahtantenne sind in den Abendstunden einige europäische Sender zu empfangen.
Das Gehäuse war in sehr schlechtem Zustand, alle Leimverbindungen waren gelöst, das Furnier teilweise lose und eine Seitenwand war um ca. 4mm geschrumpft, so dass die Türen nicht mehr verschlossen werden konnten. Der hintere Ausschnitt für die Buchsenplatte war aus unerklärlichen Gründen vergrößert und musste mit Eichenholz verschlossen werden. Das Gehäuse wurde aufwendig unter bestmöglicher Erhaltung des Originalzustandes restauriert.

       

Zum Betrieb dieses Gerätes sind ein 4 Volt Akkumulator für die Röhrenheizung, eine 100 Volt Anodenbatterie und ein externer hochohmiger Lautsprecher erforderlich. Im Herstellungsjahr 1926 wurden noch überwiegend Trichterlautsprecher verwendet, bei denen der Schall einer kleinen elektromagnetischen Hörkapsel wie auch in den damaligen Grammophonen über einen Exponentialtrichter akustisch verstärkt wird.

   
Gruß Gerald
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#2
Vielen Dank für die interessante Darstellung. Die Beschreibung des Drehkos fand ich am interessantesten.
Grüße aus dem Odenwald,

Werner



Lesen gefährdet die Dummheit!
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#3
Vielen Dank von mir auch,
Sowohl die tollen zeitgenössischen Bilder, aber auch die Geschichte.
Ein sehr seltenes Apparat.
Gruß,
Ivan
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#4
Hallo Gerald,
sehr interessanter und informativer Bericht, das Gehäuse ist wirklich toll geworden, und auch nach fast 100 Jahren spielt das Radio mit ein bisschen Hilfestellung.
Ist schon beeindruckend!

Liebe Grüße auf Mittelfranken,
Thomas
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#5
Hallo Gerald
Danke für den schönen Bericht und das Radio ist ja ein Knaller....

von mir noch das:
   
Quelle "Radio Schnorr 1927/28"

Nette grüße - Alfons
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#6
Hallo Gerald,

danke für die Vorstellung dieser frühen Empfänger,
die man ja nur noch recht selten zu Gesicht bekommt.

Das sind natürlich Geräte, die wohl jeder gerne in seiner Vitrine stehen hätte.

Zu "Graf von Luckner" kann ich auch noch etwas beitragen:

Er und unser Herscheider Maler und Autor "Heinz Wever" kannten sich persönlich,
so reiste Wever Ende der 20er-Jahre, mit ihm und auf dessen Segelschiff, nach Amerika.
Während der Überfahrt fertigte er etliche Zeichnungen und Skizzen an, die ich mir
auch schon mal ansehen durfte...

Viele Grüße,
Rolf
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#7
Guten Morgen,

ich bin auch sehr begeistert von Geralds Beschreibungen und Projekten !
Ein Blick in die Vergangenheit, auch in die meiner Heimatstadt, sehr interessant !

Gruß Ingo
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#8
Hallo zusammen,
einem der Vorträge von Felix Graf v. Luckner habe ich in den frühen 50er Jahren als Jugendlicher in Freiburg i BRSG besucht. Das Lesen der Geschichten des Hilfskreuzers Seeadler waren damals "muß". Dieser Vortrag wie alle anderen auch, endete damit, daß Herr v Luckner ihm gereichte Telefonbücher auf der Bühne händisch zerriss. Das machte ihm damals niemand nach...
Das Radio ist fantastisch gelungen. Gratulation !
Gruß Franz
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#9
Vielen Dank für diesen ganz besonderen Bericht mit den historischen
Bildern und der mustergültigen Restauration.

Er hat in mir gleichzeitig Jugenderinnerungen hervorgerufen. Das Buch
"Der Seeteufel" (ich glaube, das war der Titel), in dem Graf Luckner von
seinen Abenteuern mit dem Hilfskreuzer berichtete habe ich mehrfach
gelesen und ich war begeistert von seiner seemännischen Fairness und
dass er ein Telefonbuch komplett durchreißen konnte (das ist mir auch
bei der dünnsten Version damals nicht gelungen...).

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#10
(23.07.2022, 11:59)Wilhelm schrieb: Er hat in mir gleichzeitig Jugenderinnerungen hervorgerufen. Das Buch
"Der Seeteufel" (ich glaube, das war der Titel), in dem Graf Luckner von
seinen Abenteuern mit dem Hilfskreuzer berichtete habe ich mehrfach
gelesen und ich war begeistert von seiner seemännischen Fairness und
dass er ein Telefonbuch komplett durchreißen konnte (das ist mir auch
bei der dünnsten Version damals nicht gelungen...).
Jetz sind wir mal wieder etwas vom Thema abgekommen, aber was ich der vollständigkeit halber hinzufügen möchte:

1920erschien das Buch - Seeteufel - Das abenteuerliche Leben des weltbekannten Deutschen Seehelden -
das ich in der Ausgabe von 1939 besitze

Seeteufels Weltfahrt - alte und neue Abenteuer besitze ich in der Ausgabe von 1960

Da tun sich schon Welten auf in der Beschreibung seines Lebens. Abgesehen von den Ergänzungen im zweiten Buch, die sich auf die Goodwill Fahrten nach Amerika, nach dem Ersten WK mit einem eigenen Schiff und nach dem Zweiten WK als Passagier auf einem Dampfer ergaben, schilderte er im ersten Buch die Schlacht im Skagerak aus Sicht eines Geschützturmkommandanten auf einem Linieschiff mit einem gewissen Hurra-Patriotismus, und widmet dem gleichen Thema im zweiten Buch ganze 8 Sätze.

Aber zurück zum Thema. Mich faszinieren ja auch diese großen, röhrengefüllten Kisten aus den 20er Jahren, auch wenn sie rein empfangsmäßig vielleicht mit einem 2Röhren VE konkurieren können. Was ich aber aus eigener Erfahrung weiß, dass die verwendeten Bauteile nach fast hundert Jahren selten Fehler aufweisen.
Den Aufwand, alle Röhrenheizungen einzeln nachzuregeln und das noch mit einem Messgerät zu überwachen, finde ich enorm. Interessant finde ich auch, dass das Gerät ohne zusätzlichen Gitterspannungen auskommt. (Bei meinem Siemens Rfe24 (1928) benötige ich immerhin zwei Gitterspannungen.)
Auch das Gehäuse mit den Klapptüren hat was besonderes.
Gruß
Alex

M(Ende) gut - alles gut! Smile
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#11
Hallo Alex,

so ganz ohne Gittervorspannung kommt dieses Radio auch nicht aus (siehe Schaltplan). Zumindest die Endstufenröhre musste mit einer separaten Gittervorspannung versorgt werden. Wie Du bemerkt hast, ist dieses 5-Röhrengerät mit den damaligen Röhrentypen kaum empfindlicher und leistungsstärker als ein späterer Dke. Dies und die Kennlinie der verwendeten Röhren erklärt auch den fehlenden Bedarf an negativen Gittervorspannungen für die Vorstufenröhren.
Zum Einen sind die NF-Pegel in den Vorstufen so gering, dass sie den linearen Kennlinienbereich der RE054 nicht überschreiten und zum Anderen reicht bereits die Spannungsdifferenz von etwa -1,5V bis -2V von der Heizfadenmitte betrachtet als Gittervorspannung aus.

Hier die Kennlinie der RE054


.jpg   RE054.jpg (Größe: 65,04 KB / Downloads: 181)
Gruß Gerald
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#12
(23.07.2022, 22:13)Gerald-G schrieb: Hallo Alex,

so ganz ohne Gittervorspannung kommt dieses Radio auch nicht aus (siehe Schaltplan). Zumindest die Endstufenröhre musste mit einer separaten Gittervorspannung versorgt werden. 

Allerdings werden die Gittervorspannungen, wie Du schriebst, von der Heizspannung abgeleitet und müssen nicht separat erzeugt werden.
Gruß
Alex

M(Ende) gut - alles gut! Smile
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#13
(23.07.2022, 22:13)Gerald-G schrieb: Dies und die Kennlinie der verwendeten Röhren erklärt auch den fehlenden Bedarf an negativen Gittervorspannungen für die Vorstufenröhren.

Hallo Alex,

das ist richtig, in dem Satz fehlt "... Bedarf an separaten negativen Gittervorspannungen ...".
Gruß Gerald
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#14
(23.07.2022, 11:59)Wilhelm schrieb: Er hat in mir gleichzeitig Jugenderinnerungen hervorgerufen. Das Buch
"Der Seeteufel" (ich glaube, das war der Titel), in dem Graf Luckner von
seinen Abenteuern mit dem Hilfskreuzer berichtete habe ich mehrfach
gelesen und ich war begeistert von seiner seemännischen Fairness und
dass er ein Telefonbuch komplett durchreißen konnte (das ist mir auch
bei der dünnsten Version damals nicht gelungen...)

Hallo Wilhelm,

hieß Seeteufel nicht das Schiff? So steht es jedenfalls im Band III von 1999 "Historische Radios" von G.F.Abele. Somit später hatte der Graf einen Körting Ultramar. Es gibt auch eine historische Aufnahme - die ich aber jetzt nicht gefunden habe.

Gruss
Debo

   
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#15
hab ich gefunden...:

Der gute Graf Luckner wurde „Seeteufel“ genannt und nicht Seewolf (der Seewolf müsste die Hauptperson in Jack Londons gleichnamiger Erzählung gewesen sein – im Film gespielt von Raimund Harmstorf-).

Der (Harmsdorf) zerdrückte (gekochte) Kartoffeln mit der bloßen Hand....
Gruß Nad

Ein Leben ohne Röhren ist möglich, aber sinnlos!
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#16
Nad,s Beitrag reizt mich zu einer Abschweifung: In Oakland Cal. stand 1973 im Hafengebiet eine Art Hundehütte mit der Aufschrift "Hier wohnte Jack London.."
Gruß Franz
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#17
(24.07.2022, 09:31)Debo schrieb:
(23.07.2022, 11:59)Wilhelm schrieb: Er hat in mir gleichzeitig Jugenderinnerungen hervorgerufen. Das Buch
"Der Seeteufel" (ich glaube, das war der Titel), in dem Graf Luckner von
seinen Abenteuern mit dem Hilfskreuzer berichtete habe ich mehrfach
gelesen und ich war begeistert von seiner seemännischen Fairness und
dass er ein Telefonbuch komplett durchreißen konnte (das ist mir auch
bei der dünnsten Version damals nicht gelungen...)

Hallo Wilhelm,

hieß Seeteufel nicht das Schiff? So steht es jedenfalls im Band III von 1999 "Historische Radios" von G.F.Abele. Somit später hatte der Graf einen Körting Ultramar. Es gibt auch eine historische Aufnahme - die ich aber jetzt nicht gefunden habe.

Gruss
Debo
Seeadler! Graf Luckner konnte seinen Namensvorschlag nicht durchsetzen.
Gruß
Alex

M(Ende) gut - alles gut! Smile
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#18
(24.07.2022, 14:27)Franz schrieb: Nad,s Beitrag reizt mich zu einer Abschweifung: In Oakland Cal. stand 1973 im Hafengebiet eine Art Hundehütte mit der Aufschrift "Hier wohnte Jack London.."
Gruß Franz

Ich hatte natürlich mit "Graf Luckner" eine Steilvorlage für weitere Ausschweifungen gegeben. Das wir aber von "Das Staßfurter Graf Luckner Radio" zu Jack London's Hütte nach Oakland kommen ist schon beachtlich.
Gruß Gerald
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