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Blaupunkt Drehko instandsetzen
#1
Hallo zusammen,

die Blaupunkt-Geräte aus der Zeit um 1938-39 nutzen einen Drehko als Gleichteil, der eine feinmechanische Besonderheit hat, nämlich eine Umsetzung von Zahnraduntersetzung nach Friktionsantrieb. Harald hat dieses Teil vor einiger Zeit am Beispiel eines Blaupunkt 4 W77 genauer in seiner Funktion beschrieben.
Auf dieser Grundlage habe ich mich daran gemacht, einen solchen Drehko, er stammt aus einem 6 W78 Chassis von 1939, zu reparieren.

Ausfälle an dieser feingliedrigen Konstruktion sind einige denkbar: Zinkfraß, Rost, verharzte Fette, Verschleiß und nicht zuletzt gewaltsame Reparaturversuche.  Bei diesem Exemplar gab es eine Menge Rost, ein beschädigtes Seilrad und unsaubere Plattenpakete, so dass ich mich entschloß, der Mechanik bei der Gelegenheit auf den Grund zu gehen. Ich denke, mit der Beschreibung sollte man zügig ohne großes Herumprobieren vorankommen. Irrwege, wie das Abdrücken der Schwungmasse, können so vermieden werden. Selbstverständlich sollten Rost und Verharzungen vorher mit Kriechöl behandelt werden.

In der folgenden Übersicht finden sich folgende Bauteilgruppen (v. l. n. r.):
  • A - Drehkondensator (Gehäuse)
  • B - Schwungrad für die Antriebswelle  (Abdrücken nicht nötig, es kommen auch welche mit Madenschrauben vor)
  • C - darunter das Getriebegehäuse für die Untersetzung mit Deckel, Andruckrollen, Niederhalter und Feder
  • D - Antriebswelle mit Flansch für Rollenlager (links), Friktionswelle mit Zahnrad und Kontermutter (rechts)
  • E - Seilrad/Friktionsrad, Werkzeug für die Madenschrauben

   

Die Antriebswelle geht durch bis zur Rückseite, wo sich die Untersetzung befindet. Die Friktionswelle kommt von der Rückseite und treibt das Friktionsrad an der Vorderseite an.

   

Falls man nur das Zahnrad ersetzen muss, fixiert man die Antriebswelle, löst die Kontermutter und dreht das Zahnrad ab.
Um an die anderen Teile heranzukommen, wird es aufwendiger. Das folgende Bild zeigt das "Getriebegehäuse" komplett zusammengebaut.


.jpg   20230512_172853.jpg (Größe: 180,37 KB / Downloads: 409)

Man zerlegt es, indem man die Feder vom Niederhalter abzieht und diesen vom Gegenlager nimmt. Anschließend schraubt man das Zahnrad ab. Man kann dann den Deckel abschrauben und die beiden Andruckrollen herausnehmen.

   

Dann löst man die zweite Schraube und schiebt die Antriebswelle von der Friktionswelle so weit zurück, dass sie frei wird und samt Schwungrad ganz leicht nach vorn herausgezogen werden kann.

   

An die Friktionswelle kommt man anschließend, wenn man vorn die Zentralschraube am Friktionsrad abschraubt. Achtung: Position der Auskerbung an der kleinen Friktionsscheibe merken, sonst sitzt es beim Zusammenbau nicht richtig.


.jpg   20230512_164604.jpg (Größe: 105,08 KB / Downloads: 409)

Muss die große Seilscheibe ausgetauscht werden, Position auf der Drehkowelle markieren, denn davon hängt ab, ob das Ritzel voll auf dem Zahnrad läuft. Es kann vorkommen, dass keine normalen Madenschrauben die Seilscheibe halten. Man muss sich ein Werkzeug anfertigen, wie im Bild sichtbar.  Außerdem müssen Endstellung des Rotors und Endposition des Seilrades in Einklang gebracht werden. Das Seilrad hat an der Endposition eine Aussparung, an der man das kleine Friktionsrad nach vorn schieben kann, so dass es zwischen den beiden Scheiben zu liegen kommt.

   

Zum Schluss wünsche ich allen, die mit diesen Teilen zu kämpfen haben, viel Spaß und viel Erfolg beim Auseinandernehmen und Zusammenbauen!
Viele Grüße, Karl-Heinz
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#2
Sehr schöne Arbeit, Karl-Heinz!

Mich wundert immer wieder, dass diese "feinzähnigen" Spitzgussräder in die das Ritzel der Stahl - Antriebsachse eingreift, so lange halten.

Dieser Zink-Spritzguss ist ja geradezu berüchtigt dafür, dass er sich über die Jahre deformiert. Und hier würde ja schon eine kleine Deformation reichen, dass das Ritzel nicht mehr richtig eingreift. Tut es aber nach 85 Jahren immer noch. Jedenfalls bei meine Blaupunkts.
Grüsse aus Karlsruhe,
Harald
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#3
Hallo Harald,

meines Wissens ist es so, dass "Zinkpest" mit Rissen, Verformung und Brüchen nur auftritt, wenn die Schmelze verunreinigt war.
Ich habe Saba-Wellenschleusen, bei der eine von dreien und auch Drehkos noch völlig in Form sind und keinen Ärger machen.

Gruss
Debo
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#4
Hallo Debo,

ich habe drei Blaupunkte aus der Zeit zwischen 1937 und 1939 untersucht und konnte an keinem Teil Zinkfraß feststellen. Deren Teile sind oberflächlich leicht oxydiert, aber ohne jegliche Haarrisse. Das Zahnrad am Drehko hat unter der Lupe eine einwandfreie Verzahnung ohne Verschleiß, wohl aber zeigen die Friktionsscheiben aus Blech Abnutzungsspuren. Die ungewöhnlich erscheinende Kombi Stahlritzel-Zamak-Zahnrad scheint für diese Anwendung also Langzeitqualitäten zu besitzen - vorausgesetzt, es handelt sich um gute Druckgussqualität.  Bei den etwa zeitgleich hergestellten Druckgusskomponenten von Saba-Geräten musste ich dagegen teilweise Haarrisse und Zerfall feststellen (Flansche u.a. Formteile an Wellenschalter, -anzeiger und Bandbreiteregler).
 
Die verwendeten Gusslegierungen "ZAMAK" bestehen überwiegend aus Feinzink mit Zuschlägen von Aluminium, Magnesium und Kupfer in geringen Gewichtsanteilen. Auf den Reinheitsgehalt des Zinks als Hauptbestandteil kommt es anscheinend an. Aus Wettbewerbs- und Kostengründen hat wohl manche Gießerei an der Stellschraube Reinheitsgrad gedreht...

Anm. der Redaktion: „Zamak“ bezeichnet eine Gruppe von Legierungen, die hauptsächlich aus Zink bestehen (https://de.wikipedia.org/wiki/Zamak-Legierung).
Viele Grüße, Karl-Heinz
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