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Roberts RC818
#1
Er war dazu verurteilt, im Shradder in seine "Wertstoffe" zerkleinert zu werden, weil er seinem ehemaligen Besitzer nicht mehr gefiel und
weil er keinen Ton mehr herausbrachte. Und so wartete er im Schrottcontainer im strömenden Regen und unter vielen weiteren
elektrischen Invaliden auf sein baldiges Ende. Das Schicksal wollte es jedoch anders. Da ich einigen Computerschrott entsorgen mußte,
entdeckte ich ihn und plötzlich lag er im trockenen Kofferraum. Er, damit meine ich den ansprechenden Weltempfänger Roberts RC818.

     

Er stank fürchterlich nach Isoliermaterial und das Wasser lief heraus, aber er war äußerlich unbeschädigt und relativ sauber. Die Antenne
war vollständig und gerade und die Batterien im Batteriefach waren nicht ausgelaufen. Zuhause wurde er äußerlich mit destilliertem Wasser
abgewaschen, das Regenwasser herausgeschüttelt und dann zum Trocknen in einem beheizten Raum gestellt.

Die Trockenzeit (14 Tage) wurde teilweise dazu genutzt, im RMorg das Gerät zu finden, aber es war nicht dort zu finden. Auch im Internet
fand ich es zwar, jedoch keine ausreichende Information darüber. Durch Zufall las ich in einem englischen Forum einen Beitrag, der mich auf
die richtige Spur brachte. Sowohl Siemens, als auch Roberts hatten den Weltempfänger ATS-919CS der Firma Sangean, Chung Ho City
gecovert. Bei Siemens ist es der Typ RK670 und bei Roberts RC818. Die Geräte sind identisch, ausgenommen die Beschriftung. Jetzt
konnte man im RMorg und im Internet brauchbare Unterlagen finden, sogar ein deutsches Bedienungshandbuch. Hier erst mal die Grunddaten:

Hersteller/Anbieter: Roberts Radio Co Ttd., East Molesey, Surrey, UK
Identisch mit: Sangean ATS-818 CS und Siemens RK670
Typ: Weltempfänger, Reisegerät
Modell: RC818
Baujahr: 1992 - 1997 ?
Transistorbestückung: 65 Transistoren, 8 FETs, 12 ICs, Mikrocontroller
Stromversorgung: 3x1,5 V (Für Datensicherung), 4x1,5 V (für Spielbetrieb) oder spez. Netzteil
Wellenbereiche: FM (87,5 - 108 MH), LW (150 - 519 kHz), MW (520 - 1710 kHz), KW (1,711 - 29,999 MHz, 13 Subbereiche)
Bedienelemente: Drehknöpfe für Lautstärke und man. Bereichswahl, Tasten für Power und Licht, Tastenfeld für digitale Einstellung, Tasten für integriertes Kassettenlaufwerk
Anzeige: Grafik-LCD beleuchtet
Gehäuse: Thermoplast, schwarz
Gehäuseabmessungen: 296 x 192 x 68 mm
Gewicht netto: 2,0 kg
Besonderheiten:  45 Speicherplätze, BFO, digtale Frequenzeinstellung und  Anzeige, Kassettenlaufwerk für Aufzeichnung und Wiedergabe, 
Neupreis: 499 DM


Als ihn meine Frau entdeckte, hatte er sofort eine neue Besitzerin, und damit rückte er in der Warteschlange zur Werkbank ganz nach vorn. Nach 14 Tagen war er gut getrocknet
und es waren keine Wasserflecken zurück geblieben. Auch der penetrante Gestank war vollständig verschwunden. Nachdem die Rückwand entfernt war, konnte man erkennen,
daß fast kein Wasser ins Gehäuse eingedrungen war.

          

Die Hauptplatine lässt den Herstellungszeitraum an den gerouteten Leiterbahnen erkennen. Heute werden die Leiterbahnen in geometrisch festgelegten Richtungen und Winkeln
verlegt, während in den 80er/Anfang90er Jahren noch "Kringel und Locken gehäkelt wurden". Insgesamt ein aufgeräumtes Inneres, wobei durch die für damals enge 
Bestückung immer noch Übersicht besteht.

Natürlich ist man bei jedem Gerät neugierig, ob es noch Töne von sich gibt und wenn ja, welche? Also wurde das Netzgerät auf 100 mA Strombegrenzung und 6 V eingestellt
und siehe da, es funktioniert auf allen Bändern mit guter Trennschärfe und sauberem Klang - sogar ohne die Teleskopantenne. Warum wurde das schnuckelige Radiochen
weggeworfen, wenn es doch geht? Die Antwort auf diese Frage ergab sich, nachdem die Rückwand wieder montiert und Batterien eingelegt waren. Kein Ton, kein Lebenszeichen.
Der ehemalige Besitzer war wohl sehr ungeduldig und technisch wenig interessiert. Geht nicht, also hopp.

Die Lösung war schnell gefunden. Die Stromübertragung vom Batteriefach (in der Rückwand) wird nicht über Kabel oder Steckverbindungen, sondern über Kontaktfedern zu
den Platinen im Gehäuse hergestellt. Da die Federn verbogen waren, kam der notwendige Kontakt nicht zustande. Die folgenden Bilder zeigen die Federkontakte und die
Gegenkontakte auf den Platinen.

                

Sogar die Teleskopantenne wird auf diese Weise kontaktiert

   

Eine Besonderheit bei diesem Gerät ist außer der Möglichkeit, ein externes Netzteil anzuschließen, eine Quasi doppelte Stromversorgung mit Batterien. Vier Monozellen (D) stellen
die Hauptstromversorgung dar. Zuzüglich werden noch 3 Zellen (AA) eingesetzt, die als Datensicherung und Notstromversorgung fungieren. Da u. A. 45 Stationsspeicher, die
Uhrzeit usw. bei einem Austausch der Monozellen verloren gingen, werden diese Speicher durch die drei Zellen (AA) gepuffert (heute ging es auch ohne Backupbatterien).

Abschließend noch die obligatorischen Reinigungsarbeiten und die Endkontrolle. Und so wird er nun an meine Holde abgegeben.

          

Die umfangreiche, aber trotzdem übersichtliche Tastatur für Eingabe und Aufruf der Stationsplätze. Oben rechts die Einschalttaste, daneben die Beleuchtung für das Grafik-LCD.

   

Die Rückwand mit einem abklappbaren Ständer, sodass das Radio schräg gestellt werden kann. Unten das Batteriefach.

   

So, jetzt hat er es wieder warm und trocken.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#2
Für die Royalisten: Roberts ist Hoflieferant in Britannien.
Grüße aus dem Odenwald,

Werner



Lesen gefährdet die Dummheit!
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#3
Manchmal muss man einfach Glück haben!
DAS Gerät hätte ich auch gerettet und behalten, Glückwunsch!
Gruß,
Uli
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#4
Hi Wilhelm,
wo findet man denn so einen Wertstoffhof?
Bei mir ein der Gegend gibt es hauptsächlich alte Staubsauger!
Kannst Du denn so etwas einfach mitnehmen?
Viele Grüße aus Loccum, Wolfgang

Wer niemals fragt, bekommt nicht einmal ein Nein zur Antwort.

In Memorandum 2018
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#5
(27.01.2016, 19:20)Opa.Wolle schrieb: Hi Wilhelm,
wo findet man denn so einen Wertstoffhof?
Bei mir ein der Gegend gibt es hauptsächlich alte Staubsauger!
Kannst Du denn so etwas einfach mitnehmen?

Manchmal gibt's eben auch was anderes. Zur rechten Zeit am richtigen Ort ist das Stichwort. Und von wegen mitnehmen: Man sollte sich einfach das fragen verkneifen. Und wenn man selbst gefragt wird - na, dann hat die Frau das Radio ins Auto geräumt, man selbst wollte es aber gar nicht entsorgen... Hups, gerade noch gemerkt... Wink
Gruß,
Uli
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#6
(27.01.2016, 19:20)Opa.Wolle schrieb: Hi Wilhelm,
wo findet man denn so einen Wertstoffhof?
Bei mir ein der Gegend gibt es hauptsächlich alte Staubsauger!
Kannst Du denn so etwas einfach mitnehmen?

Da nimmt man einen Karton mit dem man den eigenen Schrott vom Auto zum Container trägt, legt den Schrott daraus einzeln in den Container und dann fällt mal schnell so ein kleines Radio in den Karton hinein und wird wieder zum Auto getragen Smile

Tolles Gerät, hätte ich auch mitgenommen! Siemens hätte diesen Typ bestimmt nicht auch gelabelt mit dem eigenen Namen, wenn es kein wirklich gutes Gerät wäre. Funzt der Kassettenteil auch?
Solche Federkontakte für Stromversorgung und Antenne hatte ich auch schon öfter bei Kofferradios. Die sind häufig Fehlerquelle-, entweder weil sie verbogen sind, oder weil die Kontakte oxidiert sind.
~~~Es gibt nichts Gutes, außer man tut es (Erich Kästner)~~~
Die einzige, falsche Entscheidung die du treffen kannst ist, keine Entscheidung zu treffen.
Ich bin nicht DICK, ich bin nur zu KLEIN für mein Gewicht  Big Grin
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#7
Hi ihr zwei beiden, ich werde das berücksichtigen! Tongue
Viele Grüße aus Loccum, Wolfgang

Wer niemals fragt, bekommt nicht einmal ein Nein zur Antwort.

In Memorandum 2018
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#8
Hallo Wilhelm,

Glückwunsch zum funktionierenden Gerät. Da zeigt sich wieder mal, das meist nur Kleinigkeiten zum Ausfall führen. Aber da gehört ja schon Echt was dazu, sowas weg zu werfen.
Sogar einen BFO hat er.


Viele Grüße,

Axel
Womit fährt der Norweger zur Mittagspause...?
...Na mit einem Fjord Siesta! Wink
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#9
Danke für Eure "Mitfreude" an diesem schönen Stück, bei dem natürlich auch das Kassettenlaufwerk funktioniert. Ich habe ganz einfach nur Glück gehabt bei diesem Findling. Natürlich
bringe ich auch immer Elektroschrott dorthin. Das ganze Leben ist immer ein Geben und Nehmen.

Irgendwann werde ich mal über Elektroschrottcontainer eine Geschichte schreiben, die bestimmt recht spannend und unterhaltsam ist, aber die Zeit ist noch nicht reif dafür. Hier nur soviel:
Weil sich die Obrigkeit durch einen bestimmten Fall aus eigenen Kreisen angeregt fühlte (damit kann man Punkte machen bei einer Wahl), die "Diiebstähle" aus den Gitterboxen mit dem
Elektroschrott zu verhindern, stellte sie neu entwickelte Kleincontainer mit gesichertem Einwurf (Trommeleinwurf) auf, aus denen man nichts eingeworfenes mehr wieder herausholen kann.
Leider sind die Dinger zu klein und absolut unpraktisch und so werfen die Menschen nur Kleinkram und Unrat hinein, stellen die Fernseher und dergl. daneben. Da kann es schon mal passieren,
daß man plötzlich was im Auto hat, was auch die Ehefrau hinein getan haben könnte. 

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#10
Zu ergänzen wäre noch, daß man mit dem Kassettenlaufwerk auch zeitprogrammierte
Bandaufnahmen machen kann, ich muß aber noch ausprobieren, ob das auch mit
SSB (BFO) funktioniert.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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#11
Hallo Wilhelm,

ein tolles Gerät hast Du da vor der Zerlegung gerettet. Wirlich ein schönes Teil und es sieht ja jetzt aus wie aus dem Laden. Das hätte ich auch nicht liegen lassen. Ich bin wegen eines Kassettenradios, welches ich bei uns auf dem Wertstoffhof im Container fand und natürlich unbemerkt mitgehen lassen wollte, hochkantig rausgeflogen. Einer der Mitarbeiter hatte mich doch beoachtet. Dumm gelaufen. Die passen bei uns auf wie die Schießhunde. Früher gab es bei uns noch Sperrmüllsammlungen, wo die Anwohner an einem bestimmten Tag ihren nicht mehr benötigten Hausrat an den Straßenrand stellen konnten. Da waren, vor allem gleich nach der Wende, herrliche Röhrenradios dabei, die der Billigtechnik aus Fernost weichen mussten, nur weil man glaubte, jetzt was Besseres zu haben. Dann bekamen das aber die Tschechen mit und schlachteten die Geräte gleich auf dem Fußweg aus. Wie das dann hinterher aussah, kannst Du Dir ja sicher vorstellen. Dieser Sache schob man dann einen Riegel vor und jetzt macht jeder für sich Abholtermine mit dem Entsorgungsbetrieb aus. Seit dem ist aber auch kein Schätzchen mehr zu finden. Das ist wiederum schade.

Gruß
Karsten
Auch aus quadratischen Radios kann man Rundfunk hören! Wink


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#12
Hallo Karsten,

durch diese Organisation der "Sperrmüll" Entsorgung und die rigorose Zerstörung der
Elektrogeräte geht so manches erhaltenswerte historische Stück für immer verloren.
Bei uns wird der E-Schrott zwar bei einem Zerlegebetrieb sortiert, aber nur Großgeräte
werden eventuell repariert und Bedürftigen wieder angeboten. Der große Rest wird
geschraddert.

Gruß
Wilhelm
Niemandes Herr, Niemandes Knecht,
so ist es gut, so ist es recht

von Fallersleben
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